Immer wieder fällt der Begriff „Lebensphasenorientierten Arbeitszeit“, wenn von Arbeitszeitflexibilität die Rede ist. Auf den ersten Blick erschint diese wie ein eigenes Arbeitszeitmodell. Tatsächlich allerdings stehen hinter dem Begriff viele Modelle und Möglichkeiten, aber vor allem eine Haltung des Unternehmens, mit entsprechender Anpassung der Arbeitszeiten auf die Bedürfnisse von Mitarbeitern zu reagieren und diese damit zu unterstützen.
Wozu lebensphasenorientierte Arbeitszeit?
In der Praxis wird der Begriff der „Lebensphasenorientierung“ allzu gerne gleichgesetzt mit altersgerechtem Arbeiten, womit jedoch meist Modelle für weniger Arbeit im Alter bzw. Möglichkeiten eines früheren Übergangs in die Pension gemeint sind. Allerdings handelt es sich bei dem Abschnitt vor der Pensionierung nur um eine von vielen Lebensphasen, die häufig nach einer Anpassung der Arbeitszeit und -leistung drängt. Im Leben von Mitarbeiter_innen gibt es jedoch viele solcher Phasen und auch immer mehr gesetzliche Arbeitszeit- und Auszeitenmodelle verlangen nach einer detaillierteren Beschäftigung mit dem Thema Lebensphasen. Die folgende Grafik soll das verdeutlichen:
Unser Berufsleben ist „volatil“ geworden. Einen Arbeitsplatz in Vollzeit vom Beginn an bis zum Ruhestand zu haben, ist eher die Ausnahme als die Regel. Nicht nur, dass die Wechsel zwischen den Unternehmen mehr geworden sind, auch der Wunsch nach Anpassung der Arbeitszeit an die Bedürfnisse der unterschiedlichen Phasen ist gestiegen. Für Arbeitgeber_innen heißt es, darauf zu reagieren. Personalmanagement unter den Gegegenheiten, die in der Grafik zum Ausdruck gebracht werden sollten, muss sich gezielt anders aufstellen und lernen, mit wechselnden Arbeitseinsätzen umzugehen. Ein Thema, das viele Betriebe fordert.
Dazu kommt wie beschrieben, dass vielfach ein Arbeitsleben ja nicht bei einem/einer Arbeitgeber_in, sondern bei mehreren verbracht wird. Aber trotzdem oder gerade deswegen ist es wesentlich, sich mit Lebensphasenorientierter Arbeitszeit zu beschäftigen, denn viel der Mobilität und Wechsel zu einem/einer anderen Arbeitgeber_in ist auch darin bedingt, dass der/die aktuelle Dienstgeber_in eben keine passenden Lösungen bereitstellt.
Lebensphasenorientierte Arbeitszeit kann sehr viel sein
Es ist nicht das eine Modell, sondern lebensphasenorientierte Arbeitszeit kann vielerlei Modelle in sich vereineinen und auch kombiniern. Ohne den Anspruch auf Vollständigkeit, fallen dabei für mich die folgenden Modelle / Lösungen / Ansätze jedenfalls darunter:
Wechsel zwischen Vollzeit und Teilzeit
Die Möglichkeit flexibel entsprechend der jeweiligen Lebensphase zwischen einer Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigung zu wechseln ist sicherlich das zentralste Element der Lebensphasenorientierung. So sieht ja das Gesetz auch zahlreiche Optionen (etwa Pflegeteilzeit, Bildungsteilzeit, Elternteilzeit, ..) vor, wobei es auch Anlässe geben kann, die nach einer Veränderung der Arbeitszeit bedürfen und nicht geregelt sind. Und auch innerhalb des jeweils gewählten Arbeitszeitmodells hilft eine möglichst hohe Souveränität und Autonomie in der Wahl der tatschlichen Arbeitszeiten, lebensphasenbedingte Bedürfnisse mit der Arbeit gut zu vereinbaren.
Vollzeitnahe Teilzeit
Ein häufig vernachlässigtes Modell in diesem Zusammenhang ist die vollzeitnahe Teilzeit. Also solche wird ein Arbeitszeitausmaß zwischen 32 Stunden und Vollzeit verstanden, das ein wenig mehr Flexibilität bei doch hohem Zeitvolumen ermöglicht. So ist etwa das Blocken auf vier Tage pro Woche leichter möglich ohne Überschreitungen der Höchstarbeitszeiten zu riskieren.
4-Tage-Woche
Im Gegensatz zur vollzeitnahen Teilzeit, die einfach eine normale Teilzeitvereinbarung ist, stellt die 4-Tage-Woche, die gesetzlich unter gewissen Voraussetzungen möglich ist, eine gute Option dar, um etwa trotz Vollzeit-Arbeitsverhältnis nur an 4 von 5 Tagen zu arbeiten. So ergeben sich daraus auch gute Kombinationsmöglichkeiten. Etwa wenn fün Arbeitskräfte mit 4-Tage-Woche sich einen Bereich teilen, hat jede der Arbeitskräfte einen Tag in der Woche frei und alle können fallweise, wenn das nötig sein sollte, legal bis zu 12 Stunden (inkl. Überstunden) eingesetzt werden.
Auszeiten
Natürlich zählen die verschiedenen Auszeiten ebenso zu den Angeboten der lebensphasenorientierten Arbeit. Der Grund, warum sie jedenfalls hier zu nennen sind, ist jener, dass viele der Möglichkeiten, die gesetzlich grundsätzlich bestehen, genau auf eine höhere Lebensphasenorientierung abzielen. Zu nennen wären hier etwa die Bildungskarenz, die Pflegekarenz oder aber auch das Papamonat, das immer mehr Betriebe ermöglichen. Alle diese Modelle bedingen aber eine bessere Verteilung der Arbeit, funktionierende Vertretungsmechanismen und Spielräume bei der Belegschaft, um die Auszeiten auch puffern zu können.
Sabbatical
Ein besonderes Modell im Rahmen der Lebensphasenorientierung ist das Sabbatical. Es kann unterschiedliche Ziele verfolgen (zB die Verwirklichung privater Wünsche, erhöhte Mitarbeiterbindung, Entlastung bzw. Gesunderhaltung langdienender Mitarbeiter_innen, früherer Ruhestandsantritt, …), die auch im Vorfeld klar sein sollten. Je nachdem welche Ziele ein Sabbaticalmodell verfolgt, sieht die dahinterliegende Organisation anders aus. So kann ein mehrfach in Anspruch zu nehmendes Modell eine klare Regelung zu Ansparphase und Freizeitphase in einem gewissen Rahmenzeitraum enthalten. Aber auch ein Lebensarbeitszeitkonto, auf dem Überstunden für einen früheren Ruhestandsantritt über einen langen Zeitraum gesammelt werden, ist denkbar.
Job Sharing / Top Sharing
Keine wirklichen Arbeitszeitmodelle, aber Modelle der Arbeitsorganisation, die in eine bessere Lebensphasenorientierung einzahlen, sind Job Sharing bzw. unter Führungskräften Top Sharing Modelle. Sie ermöglichen in Kombination mit unterschiedlichen Arbeitszeitausmaßen die Aufrechterhaltung gewisser Funktionen und eine hohe Zufriedenheit bei den Mitarbeiter_innen, die nicht plötzlich ihren vormals Vollzeitposten in Teilzeit erledigen müssen. Aber auch die Kombination von Mitarbeiter_innen verschiedener Lebensphasen in Job Sharing Modellen kann Vorteile bringen, etwa die Kombination aus einer Führungskraft in Elternteilzeit mit einer Führungskraft in Altersteilzeit.
Freizeit statt Geld
Immer öfters diskutiert und durchaus auch zur Unterstützung von Lebensphasen können Modelle angewendet werden, die ein erhöhtes Maß an Freizeit im Gegenzug zu weniger Geld ermöglichen. Einige Kollektivverträge (zB der KV der Angestellten der Elektro- und Elektronikindustrie) lassen es bereits zu, dass unter gewissen Voraussetzungen die kollektivvertraglich ausverhandelten Gehaltsanpassungen (Valorisierungen) in Freizeit umgewandelt werden können. Die ersten Jahre, (seit 2013 ist dies möglich) haben gezeigt, dass dies vor allem bei jungen Mitarbeiter_innen ein beliebtes Modell für eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie darstellt.
Voraussetzungen für Lebensphasenorientierung
Nach Betrachtung einiger möglicher Modelle, bleibt die Frage, welche Voraussetzungen Lebensphasenorientierung im Betrieb benötigt. Nun ja, die Antwort ist wie immer: eine entsprechende Kultur, die auf die Bedürfnisse der Mitarbeiter_innen Rücksicht nimmt und deren Lebensphasen ernst nimmt. Aber nicht nur das. Natürlich auch eine Arbeitsorganisation, die mit den Schwankungen umgehen kann und damit einhergehend ein Verständnis von Arbeit und Leistung, das nicht von 50 Wochenstunden als Normalzustand, ggf. noch mit All-in, ausgeht. Denn in einer solchen Organisation ist Lebensphasenorientierung erfahrungsgemäß am schwersten umsetzbar.
Ein guter Start ist es aber, sich grundsätzlich einmal Gedanken zu machen, welche Zielsetzungen die Betrachtung und Berücksichtigung der Lebensphasen im Betrieb verfolgt und sich dann daran zu machen, sich gezielt mit passenden Modellen zur Zielerreichung zu beschäftigten. Lebensphasenorientierung sollte nicht schleichend passieren, sondern kann nur bei gezielter Beschäftigung und ggf. unter Aufgabe gewisser bis dahin verbreiteter Arbeits- und Leistungsparadigmen Erfolg haben.
Mal schauen, ob wir in Zukunft unsere Pensionierung so ruhig planen können, wie früher… Aber im Prinzip bin ich mit der Idee variabler Leistungsphasen ziemlich im Einklang! Heutzutage muss man sich schon etwa organisieren, um beruflich etwa langfristig zu halten…