Sabbaticals werden derzeit in vielen Unternehmen diskutiert. Eine beruflich Auszeit zu machen, kann sowohl als Wunsch des/der Arbeitnehmers/Arbeitnehmerin kommen, als auch ein Vorschlag des Arbeitgebers sein. Seitens der Arbeitnehmer, die durch ein Sabbatical private Vorhaben oder eine bessere Vereinbarkeit realisieren wollen, seitens der Arbeitgeber, die erkannt hat, dass Ruhephasen nach intensiverem Arbeiten förderlich sind. Einige Kollektivverträge sehen jetzt schon ausdrücklich die Möglichkeit eines Sabbaticals vor. Und trotzdem zögern viele Betriebe noch, ein echtes Sabbatical-Angebot zu machen. Hier einige Hinweise, was organisatorisch und rechtlich zu beachten ist.
Sabbatical – so oder so?
Die Idee des Sabbaticals stammt ursprünglich aus dem universitären Forschungsbereich in den USA. Dort gab es Freisemester für Forschungen. Das Wort Sabbatical (im Deutschen oft mit Sabbatjahr übersetzt) entstammt der Tora.
Heute ist damit üblicherweise eine länger andauernde Freistellung gemeint, die zwischen wenigen Monaten und einem Jahr (oder mehr) dauern kann.
Die Möglichkeit, eine solche Auszeit zu konsumieren, wird in Unternehmen auf zwei Arten realisiert:
1.) Ansparen von Zeitguthaben (Zeitkonto)
Die Mitarbeitenden sammeln über einen definierten Zeitraum Mehr- und Überstunden auf einem Arbeitszeitkonto und verbrauchen diese später geballt während der Freizeitphase. Man könnte also sagen, diese Form ist eine Art „verschobener“ Zeitausgleich.
Zu den Vorteilen dieses Modells zählt, dass es vergleichsweise einfach zu handhaben ist, einen gewissen Anreizcharakter hat, also in Richtung Mitarbeiterbindung arbeitet und gerade in auftragsschwachen Zeiten für beide Seiten sinnvoll sein kann. Nachteilig ist sicherlich, dass es Mitarbeitende geradezu einlädt, Stunden zu „hamstern“ und es teuer werden kann, wenn Mitarbeitende vor oder während der Freizeitphase ausscheiden.
Zu beachten ist bei diesem Modell, dass die Höchstarbeitszeitgrenzen und Arbeitszeitgesetze eingehalten werden müssen. Die 10-Stunden-Grenze darf ohne Ausnahmetatbestand auch hier nicht überschritten werden, was es schwieriger macht, rasch viele Stunden aufzubauen. Auch bedarf es langer Durchrechnungszeiträume, da sonst ein solches Modell nicht lebbar ist. Deswegen hat sich dieses Modell gegenüber dem Entgeltreduktionsmodell nicht durchgesetzt.
2.) Reduktion des Entgelts über einen gewissen Zeitraum
Bei dieser Variante wird bei gleichbleibender Arbeitsleistung das Entgelt über einen definierten Zeitraum reduziert. Damit wird sozusagen ein Entgeltguthaben erarbeitet, sodass der Mitarbeiter während seiner Auszeit weiter bezahlt werden kann. So könnte jemand über ein Jahr bei gleicher Normalarbeitszeit auf ein Drittel seines Gehaltes verzichten, um dann im darauffolgenden halben Jahr bei zwei Drittel seines Bezuges vom Dienst freigestellt zu sein.
Vorteilhaft erweist sich bei diesem Modell, dass in der Vorbereitungsphase keine Überbelastung durch erhöhte Stundenzahl erzeugt wird und das Modell auch dann recht einfach zu handhaben ist, wenn ein Dienstnehmer während der Vorbereitungsphase ausscheidet. Allerdings wird die Rechnung komplex, wenn es während der Vorbereitungsphase zu Gehaltsänderungen, Stufensprüngen o.ä. kommt.
Was es organisatorisch zu beachten gibt
Bei Angebot eines Sabbaticals muss – neben den rechtlichen Rahmenbedingungen (siehe unten) – eine Vielzahl organisatorischer Punkte bedacht werden.
Zuerst sei gesagt, dass ein Sabbatical eine Langzeitlösung darstellt. Es ist nicht geeignet, um auf kurzfristige Bedarfe zu reagieren. Dazu gibt es andere Mittel und Wege. Ein Sabbatical besteht immer aus einer Vorbereitungsphase (Ansparphase oder Entgeltreduktionsphase) und der Freizeitphase.
Grundsätzlich sind Sabbaticals in Organisationen mit homogenen Aufgabengebieten leichter umzusetzen als in Unternehmen mit sehr differenzierten Expertenaufgaben, für die es wenig Ersatz gibt und längere Abwesenheit den Arbeitsfluss stört.
Wesentlich ist auch, dass auch während einer Auszeit der Kontakt zum Betrieb bestehen bleibt und die Integration danach wieder gut funktioniert. Davon ist letztlich auf abhängig, wie gut ein solches Angebot angenommen wird. Denn wo Angst vor Jobverlust besteht, dort werden Auszeiten nie gut zu managen sein.
Weiters gilt es noch folgende Punkte zu bedenken:
- Adressatenkreis – wer kann ein Sabbatical in Anspruch nehmen und wer nicht?
- Anmeldemodus– wann, wie, wo und vor allem wie lange im Voraus können Mitarbeiter ihre entsprechenden Wünsche bekannt geben?
- Sabbatical Kultur – haben wir eine Führungskultur, die ausreichend offen ist für Auszeiten, damit wir hier nicht leere Energie verbraten?
- Vertretung / Nachbesetzung – wie können wir die Zeit überbrücken? Wie soll die Kommunikation aussehen?
- Urlaube – Wie gehen wir mit hohen Resturlauben um? Müssen diese vor Inanspruchnahme des Sabatticals verbraucht werden?
- Änderungen der Rahmenbedingungen – wie können wir mit sich ändernden Rahmenbedingungen umgehen? Gibt es eine Möglichkeit, die Vereinbarung bei wichtigen Gründen abzuändern oder aufzuheben?
Je klarer diese Punkte geregelt sind, desto besser. Wesentlich ist aber eine entsprechende Kultur. Wenn kein Verständnis bei den Führungskräften besteht, dann scheitern Sabbatical-Bemühungen meist sofort.
Was es rechtlich zu beachten gibt
Neben organisatorischen und kulturellen Überlegungen sind auch rechtliche Rahmenbedingungen zu beachten:
- Arbeitszeitgesetz und Kollektivvertrag – Sabbaticals sind derzeit nicht gesondert geregelt. Einige Kollektivverträge sehen Regelungen zu Sabatticals vor, die als Grundlage dienen können. Durch eine Sabbaticallösung kann nicht das Arbeitszeitgesetz ausgehebelt werden kann. Höchstarbeitsgrenzen und alle anderen kollektivvertraglichen und gesetzlichen Bestimmungen sind trotzdem einzuhalten!
- Freiwilligkeit – Sabbaticals unterliegen der Freiwilligkeit. Es gibt für Mitarbeiter keinen Rechtsanspruch darauf und genauso darf niemand zu einer solchen Regelung gezwungen werden.
- Sozialversicherung – die Versicherungspflicht bleibt auch während der Freizeitphase aufrecht. Unter Umständen kann die Beitragsgrundlage schwanken – hier ist auf eine gute lohnverrechnerische Handhabung zu achten.
- Gleichbehandlungsgebot – auch beim Angebot von Sabbaticals darf es zu keiner Ungleichbehandlung ohne sachliche Rechtfertigung kommen. Daher empfiehlt es sich einige Gestaltungsvarianten anzubieten, aus denen gewählt werden kann. Es ist aber zulässig, Bereiche oder Positionen, wo Auszeiten nicht möglich sind, zu definieren.
- Abschluss einer Betriebsvereinbarung – nicht zwingend, kann aber Vorteile haben, was die Klarheit der Rahmenbedingungen betrifft. Sie ersetzt aber keine Einzelvereinbarung!
- Sonderfall All-in – Bezieher von All-In-Gehältern können keine Überstunden ansparen, da diese ja pauschal abgegolten werden. Für sie kommt nur das Entgeltreduktionsmodell in Frage.
- Einzelvereinbarung – in jedem Fall sollte eine schriftliche Einzelvereinbarung abgeschlossen werden.
Was gehört jedenfalls vereinbart?
Folgende Themen sollten in einer Einzelvereinbarung jedenfalls sorgfältig und klar geregelt werden:
- Beginn und Ende der Vorbereitungsphase
- Beginn und Ende der Freizeitphase
- Lage der Arbeitszeit in der Vorbereitungsphase
- Entgelt während der Vorbereitungsphase und beim Ansparmodell die Mehrarbeits- und Überstundenzuschläge
- Entgelt während der Freizeitphase
- Urlaub – hier kann es zu rechtlichen Unsicherheiten kommen, da nicht klar ist, wie Urlaub, der während der Freizeitphase entsteht, zu konsumieren ist. In der Praxis ist die Vereinbarung üblich dass Urlaub, der während der Freizeitphase entsteht, als konsumiert gilt
- Gültigkeitsdauer der Vereinbarung (zB bis zum Ende der Freizeitphase)
- Modus zur Abänderung oder vorzeitigen Beendigung der Vereinbarung
- Regelung für den Fall einer längeren Erkrankung während der Freizeitphase
- Hinweis auf das Nebentätigkeitsverbot und die Geheimhaltungsverpflichtung auch während der Freizeitphase
- Regelung für die Zeit nach dem Sabbatical: zB Vorbehalt des Unternehmens, dass der Mitarbeiter nach der Freizeitphase auf einem anderen, vergleichbaren Arbeitsplatz eingesetzt werden kann (Versetzung)
- Gegebenenfalls Regelung betreffend vom Unternehmen zur Verfügung gestelltem Mobiltelefon, Laptop, Firmenwagen etc.
- Regelung für Zeiten eines Beschäftigungsverbotes (zB bei Schwangerschaft): in der Regel gilt dann die Freizeitphase als unterbrochen.
- Eventuell ein Widerrufsvorbehalt des Arbeitgebers (etwa bei unvorhergesehen starker Auftragslage) und/oder des Mitarbeiters (etwa bei unvorhergesehenen persönlichen Ereignissen) und die Modalitäten eines solchen Widerrufs (Vorlaufzeit, Informationsfluss, Einschränkungen etc.)
- Regelungen zur Aufrechterhaltung des Kontakts auch während der Freizeitphase sowie Maßnahmen für die Wiedereingliederung
- Eventuell ein Kündigungsschutz zugunsten des Arbeitnehmers während des Sabbaticals oder einer bestimmten Zeit danach
Diese Liste soll Sie nicht abschrecken, nur zum Schaffen klarer organisatorischer und rechtlicher Rahmenbedingungen animieren – immer mehr Unternehmen trauen sich den Weg zu gehen und bieten ihren Mitarbeitern ein Sabbatical an. Im Sinne der Demografie, der Bestrebungen für eine bessere Vereinbarkeit und der Notwendigkeit, länger zu arbeiten, sind Auszeiten àla Sabbatical im Trend und zeichnen fortschrittlich denkende Arbeitgeber in besonderem Maße aus. Also: Trauen Sie sich!
Autoren
Peter Rieder ist als Unternehmensberater in den Bereichen Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Diversity Management und nachhaltiges Personalmanagement tätig. Er ist Auditor für das staatliche Audit berufundfamilie, Audit hochschuleundfamilie sowie familienfreundliche Gemeinde. Zu seinen Kunden zählen unter anderem BILLA, ÖAMTC, BAWAG PSK, Raiffeisen Leasing, FH Wien, FH Salzburg, SIEMENS Personaldienstleistungen. www.arbeitswelten.at
Dr. Anna Mertinz ist Rechtsanwältin und Leiterin des Arbeitsrechtsteams bei KWR Karasek Wietrzyk Rechtsanwälte GmbH. Sie war zuvor Legal Counsel bei Coca-Cola HBC Austria GmbH und ist auf Fragen des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts spezialisiert. www.kwr.at