In Erstgesprächen mit Kunden werde ich oft gefragt, was denn so die Schlüsselfaktoren für Familienfreundlichkeit im Betrieb sind. Dass Familienfreundlichkeit ein wesentlicher Faktor für mehr Motivation und Produktivität bei gleichzeitg weniger Ausfällen ist (siehe dazu meinen Artikel „Familienfreundlichkeit bringt’s„), hat sich also schon herumgesprochen. Hier also eine kleine Zusammenfassung der wesentlichen drei Schlüsselfaktoren aus meiner Sicht:
Erster Schlüsselfaktor: Zeitautonomie
Das wahrscheinlich wichtigste Instrument zu einer gut gelebten und vor allem gespürten Vereinbarkeit ist zweifelsohne das Verfügen können über Zeit, also die Frage, wie sehr Mitarbeiter und Führungskräfte selbst über ihr Kommen und Gehen bzw. über ihren Dienstplan entscheiden können.
Familie und Beruf gut unter einen Hut zu bringen hat nicht – wie fälschlicherweise oft angenommen – immer etwas zu tun mit einer Reduktion von Arbeitszeit. Sehr wohl aber mit der Möglichkeit, nach den eigenen Bedürfnissen Arbeitszeit gestalten zu können.
Damit das gut funktioniert, braucht es in der Regel großzügige Arbeitszeitrahmen und eine Art von Vertrauensarbeitszeit. Das bedeutet nicht, dass Zeitbuchungen abgeschafft werden müssen, aber auch und gerade wenn gebucht wird, braucht es beiderseits das Vertrauen, dass im Rahmen der Möglichkeiten die Zeit autonom und verantwortungsvoll gehandhabt wird. In Schichtbetrieben ist die Mitsprache bei der Einteilung ein wesentlicher Faktor. Also Möglichkeiten, eigene Bedarfe zu nennen und im Team / in Absprache mit der Führungskraft dafür Gehör zu finden.
Zweiter Schlüsselfaktor: Eine entsprechende Führungskultur
Damit einhergehend ist der zweite wesentliche Faktor ein Bewusstsein unter Führungskräften, dass die Vereinbarkeit wichtig ist. Und das nicht nur am Papier, sondern in Taten. Soll heißen, dass es Unternehmen gibt, die an sich super flexible Arbeitszeitmodelle haben, subjektiv haben die Mitarbeiter aber das Gefühl, dass sie keinen Freiraum haben, da die Führungskraft sämtliche Bedürfnisse gekonnt ignoriert.
Das Wohlfühlen und das subjektive Empfinden der eigenen (mehr oder weniger guten) Vereinbarkeit hängt maßgeblich von der unmittelbaren Begegnung mit der eigenen Führungskraft ab. Kein noch so gutes System kommt an, wenn im Mikrokosmos Mauern aufrecht erhalten bleiben.
Dies ist auch in meinen Audit berufundfamilie Projekten der schwierigste zu bearbeitende Faktor, da natürlich nicht alle Führungskräfte eines Hauses dem Thema immer diese Wichtigkeit einräumen. Hier geht es um laufendes Arbeiten an der Kultur, damit Vereinbarkeit für Mitarbeiter auch erlebbar wird.
Dritter Schlüsselfaktor: Beruf und Familie in den Dialog bringen
Familienfreundlichkeit wird dort besonders gut wahrgenommen, wo darüber gesprochen, berichtet, sich ausgetauscht wird. Sowohl Bewerber wie auch Mitarbeiter nehmen das Thema positiv wahr, wenn über erfolgreiche Umsetzungen im Haus berichtet wird, wenn Führungskräfte das Thema Beruf und Familie ansprechen, sei es im Mitarbeitergespräch oder in Jour Fixes, und wenn das Top Management / die Leitung dazu eine klare Meinung und Erwartung formuliert und Dialog einfordert und auch über alle Hierarchieebenen (zB in internen Stakeholderdialogen) ermöglicht.
Gerade Unternehmen, die sich zum ersten Mal systematisch mit dem Thema der „Life-Balance“ aneinander setzen, tun gut daran, sich daran zu orientieren, was gut läuft und wo es herzeigbare Erfolge gibt. Das geht weit über eine Einmal-Berichterstattung hinaus. Viel mehr muss das Thema in unterschiedlichen Formaten besprochen werden, um sicherzustellen, dass es sickern kann. Kritische Bereiche – häufig die Themen Väterkarenz, Karenzrückkehr oder Teilzeit-Führungskräfte – müssen diskutiert und gezeigt werden – vielfach einfach überhaupt zum Thema gemacht werden. Nur so entsteht ein Sog, der das Unternehmen nachhaltig in eine neue Richtung lenkt.
Der Mittelweg zwischen Need-to-have und Must-have
Zuletzt zu nennen, wären da natürlich noch tatsächliche – oft in Geld zu bewertende – Leistungen. Auch sie spielen in der Gesamtwahrnehmung natürlich eine Rolle. Die Rede ist von Kinderbetreuungsmöglichkeiten, von Babypaketen, vom Zusammentreffen karenzierter Mitarbeiter oder von der Möglichkeit (bezahlter) Auszeiten. Warum ich diese aber nicht unter den Schlüsselfaktoren gelistet habe, liegt daran, dass sie meiner Erfahrung nach zwar ein wichtiger Baustein sind, die Grenze zwischen need-to-have und must-have aber eine schmale ist.
Das beste Beispiel ist die Kinderbetreuung, sprich der Betriebskindergarten. Viele Unternehmen machen sich dazu umfangreiche Gedanken und sind dann verwundert, wenn das Prestigeprojekt mehr schlecht als recht von der Belegschaft angenommen wird. Fragt man dann in Frage kommende Eltern, dann zeigt sich, dass oft mehr geholfen ist, wenn das Unternehmen zum Beispiel im Sommer zwei Wochen Betreuung anbietet oder aber an Fenstertagen Lösungen findet.
Auch andere Leistungen wie ein „Babypaket“ an werdende Eltern sind tolle Symboliken, die sich kostenmäßig zwar meist in Grenzen halten und positiv wahrgenommen werden, sie machen aber in Summe nicht das Empfinden aus. Wichtiger ist für die Betroffenen eher, wie man vor, während und vor allem nach der Karenz mit ihnen umgeht.
Damit ein Unternehmen familienfreundlich ist bzw. als solches wahrgenommen wird, müssen nicht immer große Geldbeträge fließen. Zwar lassen sich teure Vorzeigeprojekte oft besser vermarkten, die wirkliche Arbeit liegt aber im inneren. Im Arbeiten an Kultur und Dialog und das ist oft ein viel steinigerer Weg, der aber letztlich zu besseren Erfolgen führt.
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