Über den Fachkräftemangel wird mittlerweile fast täglich gesprochen oder geschrieben. Dass dieser wohl kommt, scheint eindeutig. Aber nicht nur am externen Arbeitsmarkt gilt es seine Fühler gekonnt auszustrecken, auch im eigenen Unternehmen gibt es einige Ansatzpunkte. Einer davon ist ein ordentliches Karenzmanagement. Denn noch immer ist Kinder zu bekommen für viele das Ende einer Karriere. Und damit der Verlust von Potenzial für das Unternehmen.
Eine Karenz ist nicht das Ende einer Beschäftigung
In zahlreichen Unternehmen spielt sich nach wie vor folgendes ab: Eine gute Mitarbeiterin meldet, dass sie schwanger ist. Bislang war alles in bester Ordnung, ein guter Job, eine stetige Weiterbildung. Nun aber ist es, als ob es das Ende wäre. Das Ende der Beschäftigung. Nach überhasteter Suche nach Ersatz gehen sich noch ein bis zwei Monate Übergabe aus, dann beginnt der Mutterschutz. Handy und Schlüssel sind abgegeben, der Mailaccount gelöscht. Dann zwei Jahre Funkstille. Nach Meldung der bevorstehenden Rückkehr Ratlosigkeit im Unternehmen. Wohin solle man die Mitarbeiterin, die man ja bereits fast vergessen hatte, wohl hintun? Na gut, irgendein Assistenzjob wird sich schon finden lassen.
Es ist erstaunlich, dass diese Geschichte nicht etwa erfunden ist, sondern so zigfach in Unternehmen nach wie vor stattfindet. Nur gut, dass langsam aber sicher ein Engpass bemerkbar wird, denn nachhaltiges Personalmanagement sieht anders aus.
Unternehmen vergeben mit solcher Vorgehensweise laufend das Potenzial guter und zuverlässiger Mitarbeiterinnen und zunehmend auch Mitarbeiter. Doch es gibt auch andere Beispiele. Jene nämlich, die sich ein gutes und gezieltes Karenzmanagement auf die Agenda geschrieben haben und damit ein Stück weit dem Mangel an qualifizierten Kräften entgegen wirken wollen. Es ist gar nicht so schwer, wenn man einige wesentliche Elemente berücksichtigt:
Interaktion, Kommunikation, rasche Integration
Ziel eines guten Karenzmanagements ist ein reibungsloser und zugleich rascher Wiedereinstieg in einen wertigen Job im Unternehmen. Das bedingt vor allem eines: Kommunikation. Wurden bislang alle Zugänge gekappt, so geht man mehr und mehr dazu über, den Kontakt so gut wie möglich aufrecht zu erhalten. Dazu gehört der Zugang zu wichtigen Informationen im Haus genauso wie die Möglichkeit, weiter auf Mails und Intranet Zugriff zu haben. So weit wie das beidseitig erwünscht ist.
via.donau- die österreichische Wasserstraßen Gesellschaft – hat derzeit ein Projekt zum Thema Karenzmanagement am Laufen. Das Thema der Kommunikation steht dabei ganz oben auf der Tagesordnung, so Geschäftsführer Hans-Peter Hasenbichler: „Wir möchten unseren karenzierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Möglichkeit bieten, in einem für sie gesunden Ausmaß weiter am Unternehmensgeschehen teil zu haben. Dazu gehört auch, dass weiterhin Zugriff auf Mails und Intranet besteht, damit der Informationsfluss am Leben bleibt.“
Auch bei der Raiffeisenlandesbank NÖ-Wien setzt man auf verstärkte Kommunikation während der Karenz. So findet seit einigen Jahren jedes halbe Jahr ein sogenanntes „Karenz-Frühstück“ statt, zu dem alle karenzierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eingeladen sind. „Dieses Zusammenkommen erfreut sich hoher Beliebtheit. Der überwiegende Teil unserer Mitabeiterinnen und Mitarbeiter in Karenz nutzt die Chance, in diesen zwei Stunden wichtige Infos zum Geschehen im Unternehmen zu bekommen und natürlich, um sich mit anderen Eltern auszutauschen.“ ist Personalleiter Norbert Wendelin überzeugt von der Idee. Ein Kinderprogramm rundet die Veranstaltung ab.
Rechtzeitige Planung
Eine laufende Kommunikation ist es auch, die eine rechtzeitige Planung ermöglicht. Gutes Karenzmanagement beschäftigt sich bereits vor der Karenz mit dem „währenddessen“ und danach. So können unterschiedliche Möglichkeiten der weiteren Zusammenarbeit während und nachher gleich besprochen und geplant werden.
„Wir haben uns entschieden, möglichst bereits vor der Karenz darüber zu reden, wie denn die Planung aussieht. Natürlich gibt es da noch viele Unsicherheiten, aber dennoch ist es uns wichtig zu zeigen, dass wir als Unternehmen wertschätzend mit unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern umgehen und uns an einem raschen und guten Wiedereinstieg gelegen ist“, so Hasenbicher /via.donau.
Um gut planen zu können, gilt es im Unternehmen einen gezielten Kommunikationsprozess zu etablieren. Rechtzeitig und wertschätzend mit den betreffenden Mitarbeitern zu sprechen und diese voll in die Überlegungen einzubeziehen, ist dabei einer der wichtigsten Faktoren.
Das volle Potenzial nutzen, auch in Teilzeit
In zahlreichen Unternehmen scheint es fast so, als ob ein Schreckgespenst namens Elternteilzeit sein Unwesen treiben würde. Wie das sprichwörtliche Kaninchen vor der Schlange wartet man auf die eine Meldung, die Aufschluss darüber gibt, welche Stundenanzahl die bzw. der betreffende Mitarbeiter wohl machen möchte.
Unternehmen mit einem soliden Karenzmanagement gehen einen anderen Weg und überlegen auch von sich aus, geeignete Möglichkeiten, um Teilzeitkräfte wertig einzusetzen. Besonders bei Führungskräften, die in Karenz gehen, ist ein Teilzeitwunsch danach oft das Ende der Führungsposition.
Nicht so etwa bei IKEA. Das Unternehmen bietet allen Führungskräften, die aus Karenz zurück kehren aktiv einen Führungsposten, auch in Teilzeit an. Nicht alle Führungskräfte nehmen dieses Angebot an, ein Teil geht auch bewusst den Weg einer weiteren Expertenlaufbahn. Dennoch ermöglichen ein fairer Umgang und erprobte Modelle, dass das Potenzial karenzierter Führungskräfte nicht im Nichts verschwindet.
Weiterbildung auch während der Karenz
Damit ein guter Wiedereinstieg gelingt, ist Weiterbildung auch während der Karenz kein unwesentlicher Faktor. Systeme, die sich verändern, Neuerungen, die allen bekannt sein müssen oder aber einfach nur der Umgang mit der spannenden Aufgabe, Eltern zu sein und gleichzeitig zu arbeiten, wollen erlernt sein. Auch während der Karenz. „Wir haben zur Probe ein Seminar angeboten, dass sich mit dem Spagat berufstätiger Eltern beschäftigt hat. Das Echo war enorm. Ein Grund, es wieder zu machen.“ so Norbert Wendelin, RLB NÖ-Wien.
Immer mehr Unternehmen ermöglichen auch karenzierten Kräften, an ausgewählten Ausbildungen teilzunehmen.
Einbeziehen der Führungskräfte
Zuletzt wichtig ist – wie meistens – das Einbeziehen der Führungskräfte. Dass karenzierte Mitarbeiter nach wie vor zu einem Team gehören, auch wenn diese einige Zeit nicht physisch anwesend sind, ist bei vielen Führungskräften noch nicht selbstverständlich. Gezieltes Karenzmanagement ist nicht etwa die Aktivität übereifriger Personalisten, sondern bezieht die Führungskräfte konkret ein. So sollte es im Unternehmen Gesprächsleitfäden, etwa für Antritts-, Zwischen- und Wiedereinstiegsgespräche, geben sowie Anlaufstellen für rechtliche Fragen, an die sich die Führungskräfte wenden können. Auch Qualifizierungsmaßnahmen, etwa im rechtlichen Bereich oder im Bereich der möglichen Arbeitszeitmodelle, helfen Führungskräften, Unsicherheiten abzubauen und konstruktiv nach Lösungen zu suchen.
Vereinbarkeit und das Wohlfühlen am Arbeitsplatz finden in der Unmittelbarkeit zwischen Führungskräften und Mitarbeitern statt. Ein wertschätzender Umgang und die gegenseitige Bereitschaft flexibel auf den Bedarf des jeweils anderen Partners zu reagieren, sind Schlüsselfaktoren im Karenzmanagement. Denn wo gemeinsam nach Lösungen gesucht wird, dort kann Potenzial auch gehoben werden. Und damit eine mögliche Antwort auf den Mangel an Arbeitskräften.
Ein Kommentar