In der Literatur, in aktuellen Artikeln, Zeitungen oder in Unternehmen kommt er immer wieder vor. Der Begriff der Work-Life-Balance. Selbstverständlich verwenden wir dieses Wort, um einen Zustand der Ausgeglichenheit zwischen Arbeitsleben und privatem (Familien-) Leben zu beschreiben. Der Diskussion um das Thema einer besseren Vereinbarkeit tut der Begriff Work-Life-Balance aber nichts Gutes.
Arbeit und Leben als Gegensatz?
Betrachtet man die Wortkonstruktion von Work-Life-Balance mal genauer, dann erkennt man die Absurdität, die darin zu finden ist. Arbeit und Leben werden semantisch in einen Gegensatz verpackt. Wir brauchen wörtlich einen Ausgleich von Arbeit und dem (restlichen) Leben. Arbeit ist also nicht gleich Leben, wenngleich wir doch im Schnitt zwei Drittel unserer Zeit mit Arbeit verbringen. Viele sehen ihre Kollegen mehr als den eigenen Partner, verbringen viele, viele Stunden in Büros und anderen Arbeitsstätten, doch die Balance muss mit dem Leben hergestellt werden.
Was für manche kleinlich wirkt, das macht aber in der Diskussion um eine bessere Vereinbarkeit von Arbeitnehmern einen relevanten Unterschied. Tatsächlich geht es nicht um eine Trennung von Bereichen sondern die Verschmelzung und gute Abstimmung und Organisation unter den verschiedenen Lebensbereichen. Ich beziehe mich hier vor allem auf Arbeit und das Familienleben, womit aber nicht zwangsläufig nur die klassische Mutter-Vater-Kind-Familie gemeint ist, sondern auch das Kümmern um pflegebedürftige Angehörige. Aber auch private Interessen sind ein legitimes Ziel eine Balance zu finden.
Karriere und Familie seriell ermöglichen und parallel fördern
Der Prozess, der in zahlreichen Unternehmen und auch in der Politik bereits in Gang ist, muss tatsächlich zwei Ziele verfolgen, die gleich wichtig sind, aber nicht immer leicht zu erreichen.
1.) Arbeit und Familie seriell ermöglichen
Wollen wir die Ziele einer hohen Beschäftigung von Frauen gepaart mit einer höheren Geburtenrate als derzeit (1,4 Kinder), dann gilt es Arbeit und Familie bzw. familiäre Auszeiten seriell zu ermöglichen ohne, dass damit ein Nachteil für den / die ArbeitnehmerIn entsteht. Derzeit erleiden vor allem Frauen, die wegen mehrerer Kinder eine längere Zeit in Karenz sind, einen Nachteil im Einkommen und in der Steigerung des Einkommens, der bis zur Pensionierung nicht mehr aufholbar ist. Dazu kommt, dass die Schere aufgrund der Teilzeitarbeit nach der Karenz (die familienpolitisch absolut sinnvoll ist) noch weiter aufgeht.
Seriell ermöglichen heißt für die Politik, dass es ausreichend Anreize geben muss, rasch wieder in den Erwerbsprozess einzusteigen und Regelungen, die ermöglichen, Gehaltssprünge im Kollektivvertrag auch dann mitzumachen, wenn man nicht physisch im Unternehmen anwesend ist. Es heißt aber auch, dass es ausreichend gut ausgestattete und finanzierte Betreuungseinrichtungen braucht, die einen Einstieg überhaupt möglich machen. Menschen dafür zu bezahlen, daheim zu bleiben ist sicherlich nicht der richtige Weg!
Für Unternehmen bedeutet es, attraktive Möglichkeiten zu bieten, rasch wieder einzusteigen und trotz einer verringerten Arbeitszeit einer sinnvollen Tätigkeit nachzugehen. Die technologischen Möglichkeiten – Stichwort fallweise Telearbeit – können hier gut unterstützen. Das Angebot an teilweisen Beschäftigungen auch während der Karenz genauso wie regelmäßige Informationsveranstaltungen für in Karenz befindliche MitarbeiterInnen fördern das rasche Wechselspiel zwischen Arbeiten und familiären Verpflichtungen. Ein modernes, flexibles Arbeitszeitssystem tut sein Übriges dazu.
2.) Karriere und Familie parallel fördern
„Schon wieder eine Teilzeitkraft mehr“ ist das häufige Klagen vieler Unternehmer. Tatsächlich sind wir noch sehr wenig darauf eingestellt, parallel Familie und Karriere zu ermöglichen. In zu vielen Unternehmen landen MitarbeiterInnen, die versuchen Familie und Beruf zeitlich in Einklang zu bringen in die Sackgasse, eintönige, wenig wertige Arbeit tun zu müssen. Gleichzeitig erhalten MitarbeiterInnen nur Zugang zu Teilzeittätigkeiten, wenn das Gesetz den Arbeitgeber dazu zwingt.
Familie und Beruf sind aber keine Gegensätze, wie uns das Wort Work-Life-Balance vermitteln will, sondern ureigens die zwei bedeutensten Lebensbereiche der meisten Menschen. Unternehmen, denen es gelingt, die beruflichen und familiären Verpflichtungen nicht als Konkurrenz zu sehen, sondern als beiderseits erstrebenswerte Lebensbereiche, die werden die glücklicheren und leistungsfähigeren MitarbeiterInnen haben. Modernes, selbstgesteuertes Arbeitszeitenmanagement, ein Management, das sich des Themas bewusst ist und darauf richtig reagiert gepaart mit einer klar formulierten Ergebniserwartung an den/die betroffenen MitarbeiterInnen (und die anderen natürlich auch) können Wunder wirken und werden in Zukunft noch essentieller als jetzt.
Um auch die Politik nicht auszusparen, sei hier nich gesagt, was die Damen und Herren im hohen Haus dazu beitragen können. Spezielle Förderung von Unternehmen, die sich im besonderen Maße um eine gute Vereinbarkeit bemühen, wiederum eine Steigerung des Betreuungsangebots vor allem für die unter 3-jährigen und ein flexibleres Arbeitszeitgesetz, vor allem in Hinblick auf atypische, unregelmäßige oder in teilweiser Telearbeit stattfindende Beschäftigungen sind sicherlich nötig.
Für die Semantiker unter uns
Wenn „Work-Life-Balance“ das Unwort des Monats ist, wie nennen wir das Ganze dann, fragen sich die semantisch Begabten unter uns jetzt sicherlich. Nun ja, in der Literatur findet man unterschiedliche Termini:
- Work-Family-Balance – dieser Ausdruck läuft aber auch Gefahr, eher eine Trennung zu beschreiben als eine Vereinigung
- Work – Life-domains – Balance: beschreibt gut, dass es um die Vereinigung von Arbeit mit anderen Lebensbereichen geht
- Work-Leisure-Balance: aus meiner Sicht besser als Work-Life-Balance, aber jeder der Kinder hat weiß, dass es sich dabei um alles andere als Leisure handelt
Mit persönlich gefällt am besten dieser hier:
- Vereinbarkeit
Das sagt doch alles, oder?