Herbert F. ist Manager des Vertriebes eines großen Retail-Elektro-Händlers. Als Chef über 70 Mitarbeiter ist er für einen Umsatz von über 200 Millionen Euro pro Jahr verantwortlich. Doch heute ist Herbert F. nachdenklich. Die Leistung eines seiner Mitarbeiter ist merklich zurück gegangen, auch die anderen Kollegen haben sich bereits beschwert, dass sie wegen des Kollegen extra Stunden machen müssen.
An sich hat Herbert F. den Mitarbeiter immer geschätzt. Wie soll F. ihm nun sagen, dass sich seine Leistung dringend bessern müsse? In Herbert F.’s Kopf geht das Gespräch hin und her. Wer wird was sagen? Was werde ich erwidern? Woher weiß ich davon? Ein schier unlösbares Problem – vor dem hunderte Führungskräfte täglich stehen.
Kritik an einem Mitarbeiter und dessen Leistung zu üben, gehört zu den wohl schwierigsten Aufgaben einer Führungskraft. Einem Mitarbeiter zu sagen, dass seine Leistung nicht passt, dass sein Verhalten nicht mehr tragbar ist oder gar, dass er Körpergeruch hat, stellt viele Chefs vor ein unlösbares Problem. Die Erfahrung zeigt, dass es sich dabei keineswegs um ein Problem einer bestimmten Ebene handelt. Bis ins Top-Management haben Führungskräfte Angst vor dem klärenden Gewitter. Mit dem häufigen Ergebnis, dass einfach gar nicht gesprochen wird.
Hier einige Tipps aus meiner täglichen HR-Arbeit, wie Sie die schwierigste Disziplin erfolgreich meistern.
Forget everything before the but
In meinen Personalmanagement-Trainings stelle ich ein Phänomen besonders häufig fest: Sobald es darum geht, Kritik zu üben, tendieren Führungskräfte dazu, das Positive am Mitarbeiter zu suchen. Häufig beginnen vermeintlich kritische Gespräche also mit einem: „Ich wollte mit Ihnen sprechen. Sie sind wirklich ein toller Mitarbeiter und ich muss Ihnen sagen, dass Sie in den vergangenen Jahren wirklich tolle Arbeit geleistet haben. Wir arbeiten nun ja schon 5 Jahre zusammen und …“ Fehlt Ihnen etwas? Mir auch. Und dem betroffenen Mitarbeiter erst recht…. Das kleine Wörtchen „aber“.
Häufig laden Chefs ihre Mitarbeiter ein, um mit Ihnen Klartext zu reden, und ergießen sich dann zu Beginn des Gesprächs förmlich in Lobhudelei. Der Mitarbeiter sitzt meist verdutzt gegenüber und denkt sich bei jedem Satz ‚Warum sagt er das alles, ich weiß doch dass da was im Busch ist’. Irgendwann kommt es dann, das alles erlösende „aber“. Von da an geht’s bergab.
Ein derartiges Vorgehen erzeugt bei Mitarbeitern starke Verunsicherung. Oft wird die Kritik dann kurz und ganz zum Schluss geübt und der betroffene Mitarbeiter dann schnell bei der Türe hinaus buxiert, damit dieser nur ja nicht mehr in eine Diskussion eintreten kann.
Tipp 1: Seien Sie sich bewusst, in welche Art von Gespräch Sie sich begeben und bleiben Sie von Anfang an dabei!
Es gibt unterschiedliche Gespräche zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern. Orientierungsgespräch, Motivationsgespräch, Informationsgespräch oder eben ein Kritikgespräch. Klarheit schafft Vertrauen. Wenn Sie sich also dafür entscheiden, Kritik zu üben, dann tun Sie das klar und von Anfang an und verzichten Sie auf alles vor dem „aber“, denn es hat sogleich keinen Wert mehr, wenn das „aber“ einmal ausgesprochen ist. Glauben Sie nicht, Ihr Mitarbeiter wüsste nicht ganz genau, was los ist, wenn Sie ihn zu sich holen. Wir sprechen schließlich immer noch mehr mit dem Körper.
„Vielen Dank, dass Sie zu mir gekommen sind. Es fällt mir nicht leicht, aber ich muss Ihnen heute sagen, dass ich mit Ihrem Verhalten gegenüber unseren Kunden so nicht einverstanden bin. Konkret betrifft das ….“ – so könnte etwa der Einstieg in ein Kritikgespräch aussehen. Wenn Ihnen das schwer fällt, dann schreiben Sie sich die Eckpunkte auf ein Blatt Papier. Es ist nicht verwerflich zu sagen „Es fällt mir nicht leicht, Ihnen das zu sagen und deswegen habe ich mir die wesentlichen Punkte notiert. Also…“. Aber verwirren Sie Ihren Mitarbeiter nicht mit förmlicher Lobheuchelei, denn so entstehen die größten Wunden und Verunsicherungen.
Ich kritisiere meine Mitarbeiter, sonst niemand!
In unserem eingangs erwähnten Beispiel steckt eine Situation wie sie häufig vorkommt. Besonders schwer sind Kritikgespräche für Führungskräfte dann, wenn ihnen die Kritik zugetragen wurde und sie sie selbst nicht feststellen konnten. Aber gerade dann ist es besonders wichtig einem Grundsatz zu folgen: Für dieses „Ich“ würde ich lügen.
Stellen Sie sich folgende Situation vor: Die Führungskraft holt einen Mitarbeiter zu sich und kommt im Gespräch zu dem Punkt: „Wissen Sie, auch die anderen Kollegen beschweren sich schon darüber, wie sie….“. Was denken Sie passiert als nächstes? Klar, die alles entscheidende und den Chef in eine äußest missliche Lage bringende Frage: „Wer?“ Jetzt haben Sie schlechte Karten, wenn Sie Ihr Teamklima noch retten wollen.
Tipp 2: Sie kritisieren und sonst niemand!
Selbst wenn es schwer fällt, aber Kritik sollte immer von der Führungskraft kommen, auch wenn Ihnen die Geschehnisse nur zugetragen wurden. Sie haben in Sekunden ein Klima zerstört, wenn Sie sich auf die anderen Kollegen ausreden. Und letztlich geht es auch nur darum, was Sie stört und dass Sie etwas stört. Sonst hätten Sie ja dieses Gespräch nicht suchen müssen. Wann immer Sie in die Situation kommen, bleiben Sie also dabei, was Sie stört. Sollte die Frage kommen „Wer hat Ihnen das gesagt“, dann ist es alle mal besser zu sagen „Was die anderen sagen, interessiert mich nicht, ich bin mit diesem Verhalten nicht einverstanden“, als den offenen Krieg im Team zu provozieren. Denn wenn erst Ihre Informanten erfahren, dass Sie sie auffliegen haben lassen, dann haben Sie auch diese Quelle verloren.
Es kommt meist anders als man denkt
Häufig erlebe ich in meiner Praxis Führungskräfte, die Stunden damit zubringen, sich zu überlegen, was sie sagen werden. Und nochmals Stunden damit, was die Antwort sein wird. Ich nenne dieses Verhalten gerne „Schach spielen im Kopf“, denn es erinnert ein wenig an die Schachnovelle von Stefan Zweig, in der ein Gefangener gegen sich selbst Schach spielt und dabei wirklich gut wird, jedoch dann in Freiheit gegen den alles entscheidenden Gegner scheitert. Weshalb? Weil er den Spielzug des Gegners nicht kommen gesehen hat.
Viele Führungskräfte haben sich Stunden ausgemalt, was sie wie sagen würden und was der Mitarbeiter erwidern würde und erstarren dann förmlich, wenn der Mitarbeiter im Gespräch von privaten Problemen, einer verstorbenen, aber sehr lieb gehabten Oma spricht oder gar gleich Einsehen hat, dass sein Verhalten sich bessern müsse.
Tipp 3: Lassen Sie den Film im Kopf gar nicht erst beginnen
Es ist legitim sich Gedanken zu machen und wie bereits erwähnt, sich gegebenenfalls einige Notizen zu machen. Jedoch können Sie beim besten Willen nicht bereits das Gespräch vorweg denken. Es kann nämlich sein, dass dann auch eines passiert: nachdem Sie das Gespräch Stunden lang gründlich durchgedacht haben, kommen Sie zu dem Schluss, dass es ohnehin nichts bringe, zu reden. Und es geht weiter wie bisher. Je unvoreingenommener, aber klarer in Ihren Aussagen Sie in ein Kritikgespräch gehen, desto besser.
Wo findet der Konflikt statt?
Ein weiteres Phänomen und gleichzeitig gefährlicher Fehler besteht darin, emotionale Probleme zu sachlichen zu machen. Häufig suchen Führungskräfte sachliche Argumente, was an der Arbeit eines Mitarbeiters nicht passt, suchen und finden Fehler, um einen Mitarbeiter kritisieren zu können. Tatsächlich ist das Problem aber auf einer ganz anderen Ebene, nämlich einer persönlichen, zuhause. Ein solches Vorgehen führt bei Mitarbeitern häufig zu viel Unverständnis und nicht zu selten zu einem „Ich glaube, der mag mich nicht.“ Eine Aussage, die durchaus ihre Berechtigung hat.
Tipp 4: Sie können einen Konflikt nur dort lösen, wo er entstanden ist.
Anstatt sachliche Argumente zu suchen, kann ein „Ich habe das Gefühl, dass Sie mich als Führungskraft keineswegs ernst nehmen und kann das beim besten Willen so nicht akzeptieren“ bei weitem heilender sein, als sich auf die Fehlersuche zu begeben. Wenn der Konflikt also auf der zwischenmenschlichen Ebene seinen Ursprung hat, dann versuchen Sie ihn auch dort zu lösen und ziehen Sie ihn nicht auf die sachliche. Denn dort werden Sie des Problems nicht Herr werden können.
Die Lösung kommt vom Mitarbeiter
Gegen Ende des Gesprächs stellt sich meist die Frage der Lösung. Führungskräfte tendieren dazu, die Lösung zu kennen zu glauben und sie dem Mitarbeiter förmlich aufdrängen zu wollen. „Schauen Sie, machen Sie es doch das nächste Mal so…“. Erstaunlich, wie wenig das meist fruchtet.
Wenn ein Mitarbeiter mangelnde Leistung zeigt, dann kann die Lösung im Regelfall nur von ihm selbst kommen. Jeder Mensch kennt seine persönliche Situation und es ist nicht an Ihnen, ein persönliches Problem eines Mitarbeiters zu lösen. Sie können Hilfestellung anbieten und stellen klar, dass es Anpassungsbedarf gibt, sollten aber stets eines beherzigen:
Tipp 5: Vorsicht mit Ratschlägen – vor allem im privaten Bereich.
Stellen Sie sich vor, Ihr Mitarbeiter hat eine Trennung nicht recht verkraftet und daher ein Leistungstief. Ihr goldener Ratschlag „Ach, vergessen Sie den Typen, der war eh nicht ihr Stil“ wird sofort zum Boomerang, wenn die betroffene Mitarbeiterin tags darauf freudestrahlend im Büro auftaucht und von der glücklichen Wiedervereinigung berichtet.
Große Verletzungen passieren vor allem dort, wo Führungskräfte ihre Rolle nicht klar kommunizieren und beginnen, sich vermeintliche Freundschaften unter den Mitarbeitern zu suchen. Plötzlich wird es schwer, dem Freund – ist gleich Mitarbeiter – ins Gesicht zu sagen, dass er sich dringend anders kleiden muss, wenn er zum Kunden geht. Und noch schwieriger, wenn sie dann zu einem sachlichen Konflikt gleich noch einen persönlichen herauf beschworen haben.
Die Lösung in einem Konfliktgespräch sollte stets vom Mitarbeiter kommen. Und auch wenn es in einem Gespräch keine Lösung gibt, fühlen Sie sich nicht dazu bemüßigt, eine finden zu müssen. Auch wenn Ihr Gespräch über die falsche Kleidungswahl mit großem Unverständnis oder gar Wut beim Mitarbeiter endet. Warten Sie ab, welche Kleidung er morgen wählen wird. Sie werden überrascht sein!
Wenn Sie sich in den genannten Beispielen ein wenig wieder gefunden haben, dann nur keine Sorge. Sie sind damit nicht alleine. Aber vielleicht versuchen Sie es beim nächsten Mal doch einmal mit dem einen oder anderen der oben gezeigten Hinweise. Führungskräfte sind dazu da, Probleme und Konflikte zu lösen. Schließlich kann ein Arzt ja auch nicht das Wartezimmer mit den Worten „Um Himmels willen, schon wieder nur Kranke“ betreten. Also über Bord mit den Gedanken und auf ins Gespräch!
Was waren Ihre schwierigsten Konfliktsituationen mit Mitarbeitern? Und wie haben Sie sie in den Griff bekommen? Ihre Kommentare interessieren mich!