Mehr Freizeit, dafür ein bisschen weniger verdienen. Dieser Wunsch wird immer häufiger genannt und nun haben auch bereits einige Kollektivverträge darauf reagiert. Einige sehen daher bereits eine Freizeitoption vor, bei der kollektivvertraglichen Gehaltsanpassungen (Valorisierungen) in Freizeitguthaben umgewandelt werden können. Unter anderem der Kollektivvertrag der Unternehmen der Elektro- und Elektonikindustrie hat eine solche Option zum Inhalt. Ich habe daher bei Mag. Karl Lang, stv. Leiter Human Resources bei SIEMENS CEE nachgefragt, wie die Option in der Praxis angenommen wird.
Freizeit statt Geld bei SIEMENS – die Freizeitoption im Praxischeck
Die Elekto- und Elektronikindustrie war eine der ersten Brachen, die die Umwandlung von Geld in Freizeit grundsätzlich ermöglicht hat. Seit 2013 gibt es diese Option. Der Kollektivvertrag sieht unter anderem vor, dass Arbeitnehmer_innen eines Unternehmens in Summe vier Mal im Laufe ihrer Dienstzugehörigkeit von der Freizeitoption Gebrauch machen können, davon zwei Mal vor dem 50. Geburtstag. Damit wollte man eine jährliche Inanspruchnahme verhindern (der Kollektivvertrag des FEEI eröffnet zwischen 2016 und 2025 jährlich diese Option) und trotzdem bei wichtigen Anlassfällen ein Mehr an Freizeit ermöglichen. Das Unternehmen SIEMENS hat darüber eine entsprechende Betriebsvereinbarung abgeschlossen. Nach mehreren Jahren zeigt sich bei SIEMENS ein differenziertes Bild der Inanspruchnahme.
Ein Programm nicht nur für die Generation Z
In etwa 15% der Stammbelegschaft von SIEMENS haben sich für mehr Freizeit entschieden. Während vielfach medial von einem Freizeitwunsch der Generation Y und Generation Z die Rede ist, bestätigt sich dies bei SIEMENS nur bedingt, erklärt Karl Lang: „Von jenen Mitarbeiter_innen, die die Option bei uns in Anspruch genommen haben, sind rund 26% über 50 Jahre alt. Die Hauptgruppe machen aber die 40-50-jährigen aus. Sie stellen etwa 37% der Inanspruchnahmen. Die Gruppe zwischen 20 und 30 Jah-ren macht bei uns nur etwa mehr als 10% aus.“
Den Grund für diese Verteilung sieht Lang vor allem in den unterschiedlichen Karrierephasen. „Die unter 40-jährigen verdienen natürlich im Verhältnis weniger als ältere Alterskohorten und können auch teilweise in dieser Phase nicht so leicht auf Einkommensteile verzichten. Aber auch noch bevorstehende Karriereziele können ein Grund sein, warum diese Gruppe die Option bislang weniger in Anspruch genommen hat.“, so Lang.
Mit dieser Verteilung hinsichtlich der Altersgruppen liegt SIEMENS offensichtlich im Trend. Eine Befragung der Gewerkschaft der Privatangestellten, Druck, Journalismus, Papier (GPA-djp) zeigt ein ähnliches Bild. Demnach sind in dieser Branche 31% der Personen mit Freizeitoption zwischen 31 und 40 Jahren, 29% zwischen 41 und 50 Jahren und 24% über 50 Jahre. Dies entspricht auch der ursprünglichen Intention, langgedienten Mitarbeitern eine Möglichkeit für mehr Freizeit zu geben.
Ein neues Führungsverständnis und einiges an administrativem Aufwand als Voraussetzungen
Die Option zu mehr Freizeit klingt zwar verlockend, erfordert aber auch ein Umdenken hinsichtlich Führung und Zusammenarbeit, ist Karl Lang überzeugt. Aber auch administrativ bringt die Regelung Herausforderungen mit sich: „Für die derart generierten Zeitguthaben ist ein eigenes Zeitkonto einzurichten. Aufwändig ist dies etwa bei leitenden Angestellten im Sinne des Arbeitszeitgesetzes, weil auch für diese ein solches Konto geführt werden muss, auch wenn sie sonst von der Verpflichtung zur Aufzeichnung von Arbeitszeiten ausgenommen sind. Aber auch die Abgrenzung, etwa wenn zusätzlich zum Urlaub auch stundenweise Freizeit vom Guthaben verbraucht wird, ist fordernd.“ Aber auch andere Aspekte, wie die Veränderungen der Guthaben bei Veränderung der Funktion und Gesamtentlohnung oder mögliche Mehr- und Überstunden, die bei Inanspruchnahme der Freizeitoption in weiterer Folge anfallen können, seien zu bedenken.
Grundsätzlich sieht man die Option bei SIEMENS aber positiv. Erste Erfahrungen zeigen jedoch, dass diese Möglichkeit nicht isoliert betrachtet werden sollte, sondern neben der Schaffung von anderen abwicklungstechnischen Herausforderungen auch entsprechende Adaptierungen in anderen Systemen erfordert.