Home Office, mobiles Arbeiten, Telearbeit – sie sind zurzeit in aller Munde. Vielen Unternehmen unternehmen den Schritt hinein ins freie Arbeiten abseits von fixen Zeiten und Büroräumlichkeiten. Doch auch mindestens ebenso viele hören wieder damit auf und erklären das Projekt Telearbeit für gescheitert.
Ist Telearbeit jetzt die allheilbringende Arbeitsform oder nur ein Hype in einer doch gar nicht so mobilen Arbeitswelt? Es kommt wohl auf den Blickwinkel an. Und darauf, einige Rahmenbedingungen vom Beginn an mitzudenken, um Telearbeit für alle Seiten erfolreich umzusetzen.
Mehr als jemanden einen Laptop in die Hand zu drücken
Viele Unternehmen nehmen sich dem Thema Telearbeit vor allem aus einem recht einfachen Motiv. Es geht technisch, also machen wir es. Oft passiert das sogar schleichend, ohne dass es bewusst als Telearbeit bezeichnet wird. Es gibt ein paar, die es machen und die werden eben laufend mehr. In solchen Fällen werden Mitarbeitende und Führungskräfte mal schnell mit Laptops ausgestattet und los geht’s. Internet hat heute schon jede/r, Webmail und Zugriffe sind schnell eingerichtet. Keine teuren Kosten für Büromiete und Ausstattung oder zumindest Kostenreduktion durch shared offices.
Und tatsächlich gibt es von der technischen Seite heute kaum mehr Argumente gegen einen grundsätzlichen Einsatz von Telearbeit. Smartphones, Web Konferenzen, Zugang von außen stellen kaum mehr Barrieren dar. Datenschutz und Datensicherheit ist Thema, aber kein Hindernis. Die moderne Technologie bietet so gut wie alles, was es zum mobilen Arbeiten braucht.
Doch Mitarbeitenden einfach ein Notebook in die Hand zu drücken und zu sagen „Du kannst ab und zu auch von zu Hause arbeiten“ ist zu wenig und geht oft nach hinten los. Wer Telearbeit flächendeckend, effizient und vor allem funktionierend einführen will, der sollte einige Rahmenbedingungen mitdenken.
1.) Was ist die Zielsetzung / der Business Case?
Was ist die Zielsetzung, mit der wir mobiles Arbeiten forcieren wollen? Zugegeben, auf den ersten Blick mag diese Frage banal klingen. So banal, dass sie oft gar nicht gestellt wird. Vielleicht aber so banal, dass wir sie in vielen Unternehmen unbeantwortet vorfinden.
Gründe bzw. Ziele gibt es vielfältige:
- Unterstützung von Mitarbeitenden, die weit pendeln
- Unterstützung von Mitarbeitenden mit Betreuungsverpflichtungen für Kinder oder Eltern
- Unterstützung von Mitarbeitenden mit viel Außendienst und langen Wegstrecken
- Ersparnis von Raumkapazitäten und damit auch Kosten
- Größere Flexibilität beim Kunden
Die Überlegungen ließen sich noch länger fortsetzen. Und trotzdem werden sie vielfach nicht gemacht und auch nicht genau definiert. Das ist jedoch vor allem dann relevant, wenn sich plötzlich Rahmenbedingungen ändern. Stärkerer Kostendruck, Notwendigkeit, schneller beim Kunden zu reagieren, etc. Wenn es in einer sich ändernden Situation keine klare Zielsetzung, ja sogar einen Business Case und klare Vereinbarungen gibt, dann kann das Projekt Telearbeit ganz schnell wieder beendet sein. Wir würden sogar soweit gehen zu behaupten, dass Telearbeit immer auch einen klaren Business Case haben sollte.
Dieser kann natürlich in knallharten finanziell leicht darzustellenden Bereichen liegen, wie etwa das Thema der Raumkosten. Telearbeit rechnet sich dann, wenn damit auch Raumressourcen reduziert werden können. Aber auch alternative Einsatzszenarien sind denkbar. Beispielsweise kann Telearbeit auch eingesetzt werden, um in Teilzeit arbeitenden Personen höhere Stundenausmaße zu ermöglichen. Ein Modell, das sich zB für aus Karenz zurückkehrende als günstig erwiesen hat. Oder aber schlicht, weil es für einen Teil der Belegschaft effizienter (ökologisch wie ökonomisch) ist, einen Teil der Zeit nicht um Büro zu arbeiten. Etwas schwerer zu berechnen, aber genauso möglich.
2.) Wie wollen wir die Arbeitskultur, Meetingkultur & Zusammenarbeit gestalten?
Der zweite, wesentliche Bereich ist jener der Arbeitskultur. Gemeint ist damit die Frage, wie Telearbeit in die Art der Zusammenarbeit und der Arbeitsabläufe an sich in der Organisation passt. Oft ist es nämlich genau ein „Misfit“ in der Arbeitskultur, weshalb Telearbeitsprojekte scheitern oder zurückgenommen werden.
Meetingkultur. Ein einfaches Beispiel ist die Frage der Meetingkultur. Also wie stellen wir sicher, dass alle Beteiligten die Informationen haben, die sie benötigen und wie schaffen wir zudem Zeiträume, um gezielt zusammenzukommen?
Dafür braucht es klare Lösungen. Ein Beispiel ist jene Variante, die Microsoft für sich definiert hat. In den sogenannten „Rules of Engagement“ etwa ist geregelt, dass alle Meetings auch von außen verfügbar sein müssen – sei es durch Aufzeichnung und on-demand Abrufbarkeit, sei es durch Live Schaltungen. Aber es darf nicht sein, dass die physische Abwesenheit von Information ausschließt.
Eine weitere, oft gewählte Variante ist jene eines fixen Bürotages. An diesem sind alle Mitarbeitenden vor Ort. Hier werden Informationen persönlich ausgetauscht
Zusammenarbeit. Ein weiterer überlegenswerter Punkt ist die Zusammenarbeit unter einander. Wenn viele Menschen sehr flexibel (örtlich wie zeitlich) arbeiten, braucht es klare Regeln des Zusammenarbeitens. Wie werden Informationen ausgetauscht? Was ist Bringschuld? Wann ist wer wie zu erreichen?
Besonders die Erreichbarkeiten und Arbeitszeiten sind in dem Zusammenhang eine Herausforderung. Zum einen, da sie geregelt sein müssen (was auch arbeitsrechtlich relevant ist), zum anderen, weil Telearbeit häufig dazu mutiert, dass keinerlei Freiräume mehr existieren, an denen Mitarbeitende Ruhe finden können. Abende wie Wochenenden werden implizit zur Arbeitszeit erklärt. Und anders herum, kann Telearbeit aber auch nicht heißen, seine Arbeit zu üblichen Bürozeiten einfach woanders zu erledigen. Damit würde man auch Flexibilität nehmen.
3.) Wie schaffen wir eine entsprechende Führungskultur?
Nicht minder wichtig, um Telearbeit gut umzusetzen, ist eine entsprechende Führungskultur. Wir würden sogar so weit gehen, zu sagen, dass sie die Voraussetzung für mobiles Arbeiten schlechthin ist. Es bedarf einer anderen Art von Führung, Menschen, die mobil sind, zu steuern. Vertrauenskultur ist hier ein zentrales Element. Führungskräfte, die sich innerlich nicht von der Präsenzkultur lösen können und es schaffen, ergebnisorientiert zu führen, zu bewerten und letztlich auch zu belohnen, bei denen wird Telearbeit immer als störend empfunden werden. Das führt manches Mal zu recht seltsam anmutenden Konstellationen, wo in Betrieben hoch ausgefeilte Telearbeitsvereinbarungen existieren, theoretisch jede Person die Freiheit zum mobilen Arbeiten hätte, aber keine/r tut es. Meist ist dann das Urteil der Führungskräfte „Die Leute wollen das eh nicht.“
Außerdem bedarf es aber auch einer klaren Vorgabe, die es Führungskräften ermöglicht, im Notfall einzugreifen – also eine Art Rückgriffsrecht. Was tun, wenn alle „Office-Mitarbeiter“ krank gemeldet sind? Wie kann dann auf Telearbeitskräfte zugegriffen werden? Was tun an Tagen, an denen alle mobil arbeiten wollen?
4.) Welche rechtlichen Rahmenbedingungen gibt es zu beachten?
Und da wäre noch eine Komponente – die der rechtlichen Rahmenbedingungen. Wir nennen diese bewusst zum Schluss – nicht weil sie unwichtig wäre – aber oft werden die rechtlichen Überlegungen allen anderen Überlegungen vorgeschoben. Ein Zugang, der selten zum gewünschten Erfolg führt. Rechtliche Bestimmungen müssen natürlich beachtet und geregelt werden; um Telearbeit aber sinnvoll und effektiv einzuführen, braucht es zuerst eine entsprechende Kultur, Zielsetzung und Regeln der Zusammenarbeit. Sind diese Überlegungen gereift und ein Business Case vorhanden, müssen vor der Umsetzung unbedingt umfassend die rechtlichen Aspekte beachtet und geklärt werden. Hier ein Einblick:
- Telearbeit ist gesetzlich nicht gesondert geregelt. Für Telearbeitnehmer gelten die gleichen gesetzlichen und kollektivvertraglichen Bestimmungen wie für sonstige Arbeitnehmer (insbesondere Arbeitszeitgrenzen).
- Manche Kollektivverträge sehen Rahmenbedingungen für Telearbeit vor. Daher: Blick in den Kollektivvertrag und dort geregelte Punkte beachten!
- Telearbeit beruht auf Freiwilligkeit – Die Zustimmung des Arbeitnehmers ist erforderlich.
- Die Rahmenbedingungen der Telearbeit sollten in einer Vereinbarung schriftlich geregelt und nicht „mündlich, irgendwie, zwischen Tür und Angel“ besprochen werden.
- Arbeitsmittel und Homeoffice-Arbeitsplatz – Es ist unter anderem klar zu regeln, wer welche Arbeitsmittel zur Verfügung stellt bzw. die Kosten dafür trägt sowie wie der Telearbeitsplatz ausgestattet ist. Es ist auch zu regeln, wer für Schäden an den Arbeitsmitteln haftet. Weiters sind Fragen einer erlaubten oder verbotenen Privatnutzung von Arbeitsmitteln zu klären.
- Arbeitszeitaufzeichnungen – Es ist klar zu regeln, wie Arbeitszeitaufzeichnungen geführt und kontrolliert werden. Die Letztverantwortung liegt beim Arbeitgeber!
- Gesundheitsschutz und Arbeitnehmerschutz – Der Arbeitgeber ist für den Gesundheitsschutz und die Sicherheit des Telearbeitnehmers verantwortlich. Arbeitsplatzevaluierung planen und mit dem Arbeitnehmer und dem Arbeitsinspektorat besprechen!
- Der Betriebsrat ist mit einzubeziehen und der Abschluss einer Betriebsvereinbarung zu erwägen!
- Diskriminierungsverbot – Telearbeitnehmern ist der gleiche Zugang zu Aus- und Weiterbildungen sowie Aufstiegsmöglichkeiten zu geben!
- Datenschutz – Der Arbeitgeber muss sicherstellen, dass einerseits betriebliche Daten und andererseits die Privatsphäre des Arbeitnehmers geschützt werden.
- Arbeitszeit – Sonderfragen wie „Ist die Zeit vom Homeoffice zum Sitz des Arbeitgebers für Besprechungen Arbeitszeit?“ sind zu klären.
- Arbeitsunfälle – ist ein Sturz am Weg vom Arbeitszimmer auf die Toilette ein Arbeitsunfall? Hier kommt es wesentlich darauf an, ob sich der Unfall in den Privaträumen des Arbeitnehmers oder im Homeoffice-Bereich ereignet (sofern eine Abgrenzung überhaupt möglich ist).
- Steuerliche Rahmenbedingungen abklären!
Komponenten erfolgreicher Telearbeit
Die Einführung von Telearbeit lässt sich zusammengefasst gut am Dreieck „System-Kultur-Recht“ verdeutlichen. Es braucht alle drei Komponenten, um diese Form der Arbeit gelungen einzuführen. Erst wenn alle drei Seiten einer guten Überlegung zugeführt wurden und für das Unternehmen und die Beteiligten klar definiert sind, kann mobiles Arbeiten wirklich gelingen.
Veranstaltungstipp
Wenn Sie mehr zum Thema „Rahmenbedingungen für die gelungene Einführung von Telearbeit“ erfahren wollen, kommen Sie zum Vernetzungstreffen „Telearbeit aus praktischer und rechtlicher Sicht“ am 16jan2014 beim ÖAMTC in Wien. Die Teilnahme ist kostenlos!
Wir freuen uns auf den Austausch mit Ihnen!
Autoren
Peter Rieder ist als Unternehmensberater in den Bereichen Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Diversity Management und nachhaltiges Personalmanagement tätig. Er ist Auditor für das staatliche Audit berufundfamilie, Audit hochschuleundfamilie sowie familienfreundliche Gemeinde. Zu seinen Kunden zählen unter anderem BILLA, ÖAMTC, BAWAG PSK, Raiffeisen Leasing, FH Wien, FH Salzburg, SIEMENS Personaldienstleistungen. www.arbeitswelten.at
Dr. Anna Mertinz ist Rechtsanwältin und Leiterin des Arbeitsrechtsteams bei KWR Karasek Wietrzyk Rechtsanwälte GmbH. Sie war zuvor Legal Counsel bei Coca-Cola HBC Austria GmbH und ist auf Fragen des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts spezialisiert. www.kwr.at
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