Es gibt wenige Themen im Personalmanagement, die so oft und so kontroversiell diskutiert werden, wie das der Teilzeit-Arbeit. Nicht nur in den Unternehmen, ja sogar politisch ist man sich alles andere als einig, wie man mit dem Thema umgehen soll. Work-Life-Balance und Kindererziehung stehen sich mit Pensionslücke gegenüber. Teilzeit zu arbeiten ist zwar noch immer mehrheitlich ein Frauenthema und dennoch gibt es immer mehr ArbeitnehmerInnen, die aus ganz anderen Gründen in Teilzeit arbeiten möchten. Da heißt es für die Unternehmen umzudenken.
Teilzeit liegt voll im Trend
Eines steht fest: Teilzeit liegt voll im Trend. Allen Verteufelungen zum Trotz. Während im zweiten Quartal 2013 die Vollzeitstellen um rund 47.000 zurückgegangen sind, sind die Teilzeitstellen um über 21.000 gestiegen (Quelle: Statistik Austria). Gesamt sind zur Zeit rund 26,5% der unselbständig Erwerbstätigen in Teilzeit beschäftigt. Bei den Frauen sind es allerdings über 46%, bei den Männern nicht einmal 10%.
Der häufigste Grund, in Teilzeit zu arbeiten, ist also nicht immer das Elternsein. Und die Elternteilzeit, die jungen Eltern hohen Schutz am Arbeitsmarkt bietet, tut ihr übriges, damit diese Quote weiter steigt.
Aber dennoch gibt es immer mehr ArbeitnehmerInnen, die Teilzeitarbeit nicht aus Gründen der Kindererziehung wählen, sondern aus ganz anderen. Und wenn es einfach darum geht, weniger zu arbeiten.
Berufs- und Privatleben müssen sich einfach nebeneinander ausgehen
Andrea S., 26, arbeitet Teilzeit in der IT Abteilung einer Bank. Sie hat keine Kindern, sondern sie wollte es so. Es gibt eben auch neben der Arbeit noch einiges zu tun. Andrea spielt Klarinette und probt dafür zwei Mal in der Woche mit ihrem Orchester. Dazu kommt ihr großer Garten, den sie mit Leidenschaft betreut. Und dann wären da noch die Freunde. Viele Freunde. Und auch die Kosten Zeit.
Am Anfang war es seltsam, danach zu fragen, aber ihr Arbeitgeber hat Verständnis gezeigt und es ihr ermöglicht, nur mehr 25 Stunden pro Woche in die Arbeit zu kommen. Zunächst haben die Kollegen mit Witzen reagiert, etwa „Du gehst schon wieder heim?“. Mittlerweile aber hat sich das Ganze geregelt und alle sehen, dass Andrea genauso viel leistet wie ihre Kollegen.
Fälle wie dieser sind keine Seltenheit mehr in der heutigen Zeit. Zunehmend mehr vor allem junge Menschen gehen bewusst, den Weg weniger arbeiten zu wollen. Nicht etwa, um faul zu sein, sondern die junge Generation hat gelernt, vieles nebeneinander zu tun. Sehen Sie doch nur mal ihren Kindern zu, wenn sie einen PC benutzen…
Für die Wirtschaft heißt das – in einer Zeit der Personalknappheit – sich Lösungen und Modelle einfallen zu lassen, um das zu ermöglichen. Besonders hochtalentierte MitarbeiterInnen zu halten, sollte oberstes Ziel sein. Dem neuen Verständnis von Arbeit mit Respekt zu begegnen, ist daher Gebot der Stunde.
Die Väter sind ebenfalls im Vormarsch
Nicht nur bei den Frauen, auch bei den Männern steigt die Zahl der Teilzeit-Arbeitenden langsam aber stetig an. Robert M. beispielsweise ist als Abteilungsleiter 6 Monate in Väterkarenz gegangen. Nach seiner Rückkehr hat er von seinem Recht auf Elternteilzeit Gebrauch gemacht und ist ab dann nur mehr 30 Stunden pro Woche arbeiten gegangen.
Auch dies ein Beispiel, dass Teilzeit ebenso für Männer ein immer beliebteres Thema wird. Die junge Generation lebt das Thema Vaterschaft anders. Und ähnlich wie in anderen Lebensbereichen steht auch hier im Vordergrund: Nur nichts verpassen! Schon gar nicht die Entwicklung des eigenen Kindes!
Die Unternehmen sind gefordert
Um dieser Entwicklung vorbereitet zu begegnen, ist es nötig, dass auch Unternehmen sich dem Thema Teilzeit zunehmend öffnen. Es ist nicht mehr das „notwendige Übel“, wenn jemand Mutter oder Vater wird, sondern viel mehr gilt es, an einer Kultur zu arbeiten, die flexibel genug im Denken und Handeln ist, um die unterschiedlichen MitarbeiterInnen-Bedürfnisse ausreichend zu berücksichtigen. Und übrigens sind es nicht immer nur die Jungen, die derlei Wünsche haben. Hinsichtlich längerer Lebensarbeitszeiten ist das Thema Teilzeit auch mit Blick auf ältere ArbeitnehmerInnen zu hinderfragen.
Dazu gehört das Überdenken der Stellen- und Arbeitsaufteilung, die Öffnung von neuen Stellen für Teilzeitkräfte, das Abschied nehmen von der Vorstellung, dass nur wer von früh bis spät anwesend ist, eine wertvolle Arbeitskraft ist und letztlich eine große Portion gutes Management, um diese neue Flexibilität auch ohne Reibungsverluste hin zu bekommen.
Konkret sollten Unternehmen sich Fragen stellen wie
- Welche Stellen müssen wir eigentlich wirklich in Vollzeit besetzen?
- Wie könnte eine Büroorganisation aussehen, damit sie den vielen Teilzeitkräften gerecht wird?
- Was können wir tun, um unbeliebte Arbeitszeiten (etwa den Nachmittag) attraktiver zu machen?
- Wie können wir unsere Führungskräfte sensibilisieren und stärken, positiv mit dem Thema Teilzeit umzugehen?
- Welche Stellen können wir auch in Teilzeit ausschreiben?
- Wie können wir Teilzeit zu einem für uns lohnenden Modell machen?
- Welche Generationen von ArbeitnehmerInnen haben welche Bedürfnisse?
Talente mit Warnungen vor einer Pensionslücke abschrecken zu wollen, funktioniert übrigens reichlich selten. Auch Andrea S. ist sich dessen zwar bewusst, aber dennoch wild entschlossen, weiterhin auch ihren außerbetrieblichen Tätigkeiten mit vollem Eifer nachzugehen. „Wer weiß, wie viel Pension ich überhaupt mal bekomme. Da kann ich die Zeit jetzt jedenfalls genießen.“ ist ihr Argument und das teilt sie mit einer großen Mehrheit der Generation Y. Wo Menschen in Ketten gelegt werden, dort werden sie versuchen, zu fliehen, sollte allen Unternehmen klar sein und sie mit Mut an die Flexibilisierung gehen, die so dringend notwendig ist.
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