In Europa und vor allem in Österreich lange verschmäht, halten sie nun auch bei uns Einzug: geplante, berufliche Auszeiten, die sogenannten Sabbaticals. Fast jedes größere Unternehmen und noch wesentlich mehr MitarbeiterInnen haben sich schon einmal gedanklich damit beschäftigt, ein Standard im Mitarbeitermanagement sind Sabbaticals hingegen noch nicht. Angesichts steigender Fluktuation und durch ein besseres Bewusstsein für eine ausgeglichene Work-Leisure-Balance bieten aber immer mehr Unternehmen ihren MitarbeiterInnen berufliche Auszeiten an. Was diese bringen können und worauf sie achten müssen, das haben wir hier zusammen gefasst.
Ansparen oder Verzichten – die zwei Grundmodelle
Ursprünglich aus den USA, wo Professoren an Unis sich ein Jahr frei nehmen konnten und diese Zeit zu Forschungszwecken nutzen, haben neben zahlreichen öffentlichen Einrichtungen nun auch private Unternehmen diese Möglichkeit für ihre Angestellten geschaffen. Die meisten Unternehmen bieten für ein Sabbatical eines von diesen zwei Modellen an:
1.) Ansparphase – in einem definierten Zeitraum werden Stunden angespart (Überstunden), die dann zu einer geschäftlich ruhigeren Zeit in Form eines Sabbaticals verbraucht werden können. Einige große Beratungsunternehmen haben derartige Modelle etabliert. BeraterInnen können in geschäftigen Projektzeiten Stunden ansammeln und dann beispielweise in der schwachen Zeit – im Sommer – zu Hause bleiben.
2.) Entgeltverzicht – in einem bestimmten Zeitraum verzichtet der Arbeitnehmer auf einen Teil seines Gehalts, nach dieser Phase kann er dann für einen gewissen Zeitraum zu Hause bleiben und bekommt einen Teil seines Gehalts weiter. Im öffentlichen Dienst gibt es teilweise derartige Modelle. Zwei Jahre zu zwei Drittel des Entgelts arbeiten, das dritte bei ebenfalls zwei Dritteln zu Hause bleiben. Aber auch längere Ansparphasen sind möglich.
Beide Modelle haben je nach Geschäftsinhalt natürlich Vorteile wie Nachteile. In sehr volatilen Projektgeschäften macht ein Stundenanspar-Modell natürlich Sinn. In Unternehmen mit sehr gleichbleibendem Geschäftsvolumen, wäre eher zum zweiten Modell zu raten, denn sonst könnten Ihre MitarbeiterInnen leicht auf die Idee kommen, Stunden zu schinden.
Wie Mitarbeiter und Unternehmen profitieren
Die Gründe, warum MitarbeiterInnen ein Sabbatical in Anspruch nehmen wollen, können vielfältig sein.
- Wunsch, sich einen Traum zu verwirklichen, wie etwa eine lange Reise oder ein anderes privates Projekt
- Weiterbildung
- Pflege eines nahen Angehörigen
- Entspannung nach einer langen Phase großer beruflicher Anstrengungen
- Neuorientierung
Während junge ArbeitnehmerInnen sich öfters eine Auszeit wünschen, um zu verreisen oder ähnliches, so ist es bei erfahreneren MitarbeiterInnen häufiger der Fall, dass Sabbaticals als Burn-out-Prävention und zur Erholung genommen werden. Und auch die Auszeit, um einen nahen Angehörigen zu pflegen ist tendenziell stark im Steigen.
Studien haben belegt, dass lange Sabbaticals von vielen ArbeitnehmerInnen auch dazu genutzt werden, den eigenen beruflichen Weg neu zu überdenken. Tatsächlich ist eine Befürchtung der Unternehmer berechtigt – die Kündigungsrate nach Langzeitsabbaticals scheint tatsächlich höher zu sein, als wenn es um eine kürzere Auszeit für die Durchführung eines privaten Vorhabens geht.
Aber auch das Unternehmen kann bei entsprechender Planung von Sabbaticals ihrer MitarbeiterInnen durchaus profitieren. Zu den Vorteilen wären zu zählen:
- MitarbeiterInnen kommen erholt und leistungsfähig zurück
- Kosten durch krankheitsbedingte Ausfällt steigen
- Oft tut auch eine personelle Veränderung einem Team gut, um wieder frischen Wind zu bekommen
- MitarbeiterInnen, die wissen, dass ihnen diese Möglichkeit offen steht, bleiben eher länger im Unternehmen
- Sabbaticals anzubieten macht ein Unternehmen auch für potenzielle BewerberInnen interessant
In so manchem internationalen Großunternehmen ist gar eine Art „Pflicht-Sabbatical“ anzutreffen. ManagerInnen der oberen Ebenen werden alle fünf Jahre für einige Monate nach Hause geschickt. Das soll vor allem der arbeitsmäßigen Überlastung vorbeugen und ist zudem ein Leistungsanreiz.
Was Unternehmen davon abhält und worauf Sie achten sollten
In einer Vielzahl von Häusern werden derartige Auszeitmodelle bereits diskutiert, dennoch schrecken viele vor einem generellen Angebot an die MitarbeiterInnen ab. Vor allem die Angst, es könnten plötzlich mehrere MitarbeiterInnen auf einmal dieses Angebot in Anspruch nehmen wollen oder die MitarbeiterInnen würden in der Zeit andere Job-Möglichkeiten ausloten, steht hier im Vordergrund. Jedenfalls gehört auch für Unternehmen das Sabbatical richtig geplant. Hier einige Tipps für mutige Unternehmer:
- Klare Regeln schaffen: Schaffen Sie eine klare Regelung, wann ein Sabbatical in Anspruch genommen werden kann. Alles andere wird bei den MitarbeiterInnen als nicht attraktiv wahrgenommen.
- Anmeldezeit festlegen: Legen Sie fest, wie lange im Voraus, ein Sabbatical angemeldet werden muss. Dieser Zeitraum sollte für die Planung von wegen Vertretung, etc. nicht zu kurz sein (weniger als 3 Monate), aber auch nicht ewig lang (mehr als 12 Monate), da sich in einem derart langem Zeitraum die Prioritäten ändern können.
- Widerrufsrecht: Behalten Sie sich das Recht vor, das Angebot eines Sabbaticals auch zu widerrufen. So schützen Sie sich in wirtschaftlich schweren oder turbulenten Zeiten davor, sich mit diesem Thema auch noch aus einander setzen zu müssen. Bereits zugesagte Sabbaticals sollten davon aber unberührt bleiben.
- Nachbesetzung / Vertretung klären: Klären Sie im Vorfeld mit dem Mitarbeiter, wie die Vertretung auszusehen hat bzw. ob die Stelle nachbesetzt wird. Sollte das der Fall sein, dann muss klar sein, dass nach der Rückkehr unter Umständen nicht mehr der gleiche Job angetreten werden kann. Überlegen Sie zudem, welche Möglichkeiten die Auszeit für die Entwicklung der anderen MitarbeiterInnen haben kann. So können temporäre Auszeiten wunderbar dazu verwendet werden, dass sich andere MitarbeiterInnen zum Beispiel als temporäre Führungskräfte profilieren können oder mit wichtigen Projekten betraut werden.
- Resturlaub klären: Einen Mitarbeiter auf Sabbatical schicken, der bereits 60 Resturlaubstage auf seinem Konto stehen hat, ist wirtschaftlich unklug. Treffen Sie eine Regelung, dass MitarbeiterInnen, die ein Sabbatical in Anspruch nehmen können, nur maximal eine gewisse Anzahl an Resturlaubstagen haben dürfen.
- Möglichkeiten von Kurzauszeiten überlegen: Oft ist es nicht nötig, gleich ein ganzes Jahr anzubieten. Kurzsabbaticals von etwa 3 Monaten lassen sich leichter administrieren und Sie brauchen vor allem keine Nachbesetzung, sondern können sich unter Umständen anders helfen.
Am leichtesten lassen sich Sabbaticals dort anbieten, wo die Tätigkeiten mehrerer MitarbeiterInnen sehr ähnlich sind. Bei den Lehrern gibt es seit Jahren die Möglichkeit einer Auszeit. Dies gelingt aber unter anderem in diesem Bereich leicht, weil es de facto gleich bleibt, wer das Fach unterrichtet. In Spezialistenpositionen kann das natürlich schwerer sein, eine adäquate Nachbesetzung zu finden. (Außerdem ist der Bund eines der wenigen „Unternehmen“, die legal Kettendienstverträge anbieten können – vor allem bei den Vertragslehrern ist das Gang und Gäbe.)
Alternative Bildungskarenz und unbezahlter Urlaub
Als echte Alternative hat sich besonders während der Krise die Bildungskarenz etabliert. Waren 2008 noch rund 1.500 Personen im Monatsschnitt in Bildungskarenz, so hat sich die Zahl im Jahr 2009 mehr als verdreifacht und hält auch derzeit noch bei etwa 4.700 Personen im Monatsdurchschnitt. Vor allem die Möglichkeit auf das Weiterbildungsgeld des AMS hat viele ArbeitnehmerInnen, aber auch Unternehmen dazu gebracht, sich mit diesem Modell rasch anzufreunden. Wer also die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt und einen Arbeitgeber hat, der außerberufliche Weiterbildung unterstützt, der kann profitieren.
Auch unbezahlter Urlaub wird in vielen Betrieben in einem gewissen Umfang den MitarbeiterInnen angeboten. Allerdings trifft den Arbeitnehmer hier die Sozialversicherungspflicht. Daher braucht man schon etwas Geld auf der Seite, will man längeren unbezahlten Urlaub in Anspruch nehmen.
Ausblick
Die derzeitigen Arbeitsmarktdaten zeigen seit Monaten sinkende Arbeitslosenzahlen. Der mit der Krise abrupt gestoppte „War for Talents“ kommt in vielen Branchen schon langsam wieder gehörig in Gang. Eine Untersuchung der Arbeitgeberbewertungsplattform kununu hat gezeigt, dass die meisten Personen, die kununu besuchen, nach dem Schlagwort „flexible Arbeitszeiten“ suchen. Zweifellos wird das Thema Freizeitorientierung, aber vor allem auch Vereinbarkeit von Familie und Beruf und in diesem Zusammenhang das Thema der Pflege höher bewertet und stärker gefordert. Wer also auf der Suche nach den Top-Talenten ist, der sollte zumindest nicht zögern, sich die Vor- und Nachteile von Sabbatical-Angeboten für sein Unternehmen einmal ordentlich durchzudenken. Arbeiten für die junge Generation bedeutet vor allem Lebensgestaltung und nicht mehr nur Lebenserhaltung. Vielfalt ist in dieser Generation groß geschrieben und die Möglichkeit einer beruflichen Auszeit schafft so einen Mehrwert für Mitarbeiter, aber auch für das Unternehmen.
Sg. Herr Mag. Rieder, ist ein sehr aufschlussreicher Artikel.
Bedarf es einer Mindestgröße des Unternehmens, um einer Mitarbeiterin das Sabbatical anbieten zu können?
Würde mich über eine Antwort freuen?
Beste Grüße
LS
Lieber Herr Socher,
mir ist keine solche Regelung bekannt. Da ein Sabbatical ja eine freiwillige Leistung ist, gibt es da keine Vorgaben. Das Unternehmen muss das ohnehin anbieten oder eben nicht – das hat aber nichts mit der Größe des Unternehmens zu tun.
In manchen Kollektivverträgen ist das Sabbatical seit einiger Zeit als Option enthalten. Aber auch Branchen, wo das nicht so ist, können eines anbieten, wenn sie das wollen.
Ich hoffe, diese Antwort hilft Ihnen.
Liebe Grüße,
Peter Rieder
Ein sehr guter Artikel. Vielen Dank. Als Autorin eines Auszeitratgebers und als Auszeitberaterin möchte ich noch zusätzlich auf folgende Punkte hinweisen:
* Eine Auszeit sollte von den AuszeitnehmerInnen gut überlegt werden. Vor allem der Umgang mit der vielen Zeit kann eine große Herausforderung sein. Wie sehr strukturiere ich meine Zeit? Wie viel verplane ich? etc.
* Auch der Wiedereinstieg ist ein PUnkt, dem sowohl AuszeitnehmerInnen als auch ArbeitgeberInnen ausreichend Aufmerksamkeit widmen sollten, sonst ist der positive Auszeiteffekt in Nullkommenichts wieder weg.
Mit besten Grüßen
Christa Langheiter
Hallo Herr Rieder. Danke für die diese Information. Es ist eigentlich schon fast eine Checkliste.
Eine Auszeit ist oft sehr wertvoll und bringt Positives mit sich. Das wichtigste ist mutig zu sein und in diese Richtung eine klare Entscheidung zu treffen.