Es ist Dienstag Nachmittag. Ein ganz normaler Arbeitstag. Markus S. sitzt jedoch nicht im Büro. Stattdessen sitzt er im Freibad. Immerhin hat es rund 28 Grad und strahlenden Sonnenschein. Zu arbeiten beginnt er erst um 17 Uhr, wenn die Sonne sich langsam senkt und ein schöner Badetag zu Ende geht. Dann wird er halt eben bis 24 Uhr zu Hause vor dem Laptop sitzen und sein Projekt weiter bearbeiten. In einer Woche ist Präsentation. Bis dahin muss alles stehen. Wo er den Rest der Arbeitswoche verbringen wird, ist ihm noch nicht klar. Ist aber auch egal. Denn bei der Beurteilung seiner Arbeit steht nur das Ergebnis im Vordergrund.
Was sind ROWEs?
Was Markus S. in seinem Job leben kann, ist eine morderne Art der Arbeitsorganisation, er arbeitet in einem sogenannten „Resulty-only work environment“, also einer Arbeitsumgebung, in der nur die Ergebnisse zählen. Bezahlt wird nicht nach Arbeitsstunden, sondern nach dem Ergebnis. Dabei folgt das Unternehmen und der Mitarbeiter einem einfachen Prinzip:
Arbeit ist nicht ein Ort, an den Du gehst, es ist etwas, das Du tust.
Was sich auf den ersten Blick anhört wie eine unrealistische Wunschvorstellung, das ist in einigen Unternehmen bereits Realität. Eines der ersten Unternehmen, die diesem revolutionären Ansatz gefolgt ist, war die US-amerikanische Elektrohandelskette „Best Buy“. Das Ergebnis waren motiviertere Mitarbeiter, die effizienter und produktiver arbeiten.
In Österreich kann man das Modell in einer Vielzahl von Unternehmen bereits antreffen, wenn es auch nicht so bezeichnet wird. Zahlreiche Consultingunternehmen beispieslsweise leben diese Art der Arbeitsbewertung bereits jetzt und geben Ihren Mitarbeitern die Freiheit, zu tun und zu lassen wann sie wollen. Die technologischen Möglichkeiten der jüngsten Zeit unterstützen dieses Bestreben.
Vorteile der ROWEs
Die Vorteile dieses Modells liegen auf der Hand. So zählen dazu jedenfalls:
- Hohe Mitarbeitermotivation
- Konzentration auf die Ziele und Ergebnisse
- Leben einer Vertrauenskultur
- Einsparung von Kosten, vor allem, wenn gepaart mit einer Reduktion der Raumressourcen
- Attraktives Erscheinungsbild am Arbeitsmarkt
Vor allem kulturell ermöglicht das Arbeiten unter der freien Einteilung der eigenen Ressourcen einen massiven Fortschritt. So muss im betreffenden Unternehmen, um ROWEs zu ermöglichen, eine Vertrauenskultur herrschen, gepaart mit einem hohen Maß an Selbstorganisation und Reife bei den Mitarbeitern.
Wer denkt, dass dieses Modell nur bei Wissensarbeitern, die frei wie die Bienen mit ihren Laptops unterwegs sein können, funktioniert, der irrt. Solange das große Ziel für alle klar ist, gibt es auch Anwendungsbeispiele in produzierenden Betrieben. Ein Beispiel ist das Erstellen des Dienstplanes, das den Mitarbeitern am Fließband frei überlassen wird. Durch diese dezentrale Organisation im Team, steigt die Motivation der Beteiligten und das Ergebnis bleibt das Selbe.
Nachteile der ROWEs
Allerdings gibt es kein Modell ohne Nachteile. So sind dies bei ROWEs vor allem:
- Fordert ein hohes Maß an Reife und Selbstorganisation
- Erfordert Fairness in der Bewertung der Arbeit auf beiden Seiten (Bezahlung muss in einer realistischen Realtion zum Einsatz sein)
- Die Mitarbeiterführung und Kommunikation kann mitunter schwierig sein
- Oft ist ein genaues Messen und Bewerten der Ergebnisse nicht möglich
- Kann zu Überlastung führen, wenn parallel eine 24/7-Erreichbarkeit verlangt wird
Wichtig beim Einsatz eines solchen Modells ist es jedenfalls, dass eine faire Klärung der zu leistenden Inhalte und Ergebnisse stattfindet. Das Risiko der Ausbeutung ist bei solchen Modellen nicht wegzudenken. Dazu kommen arbeitsrechtliche Probleme, wie die Tatsache, dass Unternehmen, die solche Modelle anwenden, dies oft in einer Kombination mit „schlampigen“ Anstellungsverhältnissen tun, also die MitarbeiterInnen nicht anstellen, sondern in wackeligen freien Dienstverhältnissen beschäftigen.
Voraussetzungen
Damit solche Modelle Wirkung zeigen und funktionieren, bedarf es vor allem einer fairen, auf Vertrauen basierenden Unternehmenskultur. Den Führungskräften verlangt das vor allem ein Abgeben der Kontrolle ab. Wer seine Mitarbeiter nach wie vor klassisch „besitzen“ will, dem wird die Umsetzung einer ergebnisorientierten Arbeitswise schwer fallen.
Auch braucht es klare Regeln für die Kommunikation. Es muss klar sein, wie kommuniziert wird und wer wann erreichbar ist oder nicht. Disziplin auf beiden Seiten ist jedenfalls nötig. Das trifft auch auf die persönliche Organisation von Arbeits- und Privatleben zu. In derlei Arbeitsmodellen verschmelzen diese Ebenen zunehmend. Für den Mitarbeiter heußt das, sich selbst so gut im Griff zu haben, dass eine klare Trennung noch immer möglich ist. Sonst droht erneut Überlastung.
Ausblick
Die aktuellen Zahlen am Arbeitsmarkt zeigen deutlich, dass der Wunsch nach Arbeitsmodellen und -plätzen mit vielen Möglichkeiten zur Selbstverwaltung und -verwirklichung größer denn je ist. Ableitbar ist das etwa aus der stetig steigenden Zahl an Ein-Personen-Unternehmen. Fast 6 von 10 der über 480.000 Selbständigen in Österreich beschäftigt keine Angestellten. Vielfach sind das jene Menschen, die eine an Ergebnissen orientierte Arbeitswelt suchen. Aber auch das Emporschießen von Coworking-Spaces, also Arbeitsplätzen, an denen sich Selbständige einmieten, um unabhängig zu sein, unterstreicht dieses Begehren.
Für viele Unternehmen bedarf es einer massiven kulturellen Umstellung. Und dennoch ist der Weg hin zu mehr Freiheit beim Mitarbeiter ein Lohnender. Und jedenfalls ein Zeichen der Zeit.