In einer Mehrzahl der Unternehmen wurde sie bereits diskutiert, einige haben sie bereits eingeführt. Andere haben keinen Plan wie. Die Rede ist von Telearbeitsplätzen, die sowohl dem Unternehmen als auch den Mitarbeitern eine große Erleichterung bringen können. Ein Allheilmittel sind solche Modelle allerdings nicht. Denn es gibt viel zu bedenken, damit es danach keine bösen Überraschungen gibt.
Richtige und falsche Vorstellungen
Konzepte für Telearbeit gibt es vielfältige. Von tageweiser Arbeit von zu Hause aus über Satellitenbüros oder fallweiser Telearbeit bis zu voller mobiler Arbeit ohne einen fixen, eigenen Arbeitsplatz. Die modernen Technologien eröffnen uns schier unüberschaubare Möglichkeiten und es werden täglich mehr. Bereits heute werden endoskopische Operationen über Internet getestet. Der Arzt befindet sich zu Hause vor einem Bildschirm, in der Hand das Steuerungsgerät. Der Patient liegt auf dem OP-Tisch im Spital. Daneben nur die OP-Gehilfen und der Anästhesist. Unvorstellbar, aber dieses Modell befindet sich bereits im Testlauf. So kompliziert muss es im Unternehmen nicht sein, doch die Vorstellungen, die Arbeitnehmer und Arbeitgeber damit verbinden, gehen häufig stark auseinander.
- Mitarbeiter, die telearbeiten, verbringen meist nicht 8 Stunden vor dem PC. Häufig haben Unternehmer die naive Vorstellung der Verlagerung der Arbeit nach Hause. Der Mitarbeiter soll am besten wie im Büro vor dem PC sitzen und dort arbeiten. Für Mitarbeiter ist Telearbeit häufig eine Möglichkeit, die privaten Interessen und den Beruf in eine bessere Balance zu bringen. Nicht selten geht es dabei um die Betreuung der Kinder. Daher schätzen es Mitarbeiter, beispielsweise abends zu arbeiten und sich unter Tags anderen Lebensbereichen zu widmen. Eine Vorstellung, die oft nicht übereinstimmt.
- Telearbeit bedeutet keine 24/7-Erreichbarkeit. Führungskräfte gehen oft davon aus, dass Mitarbeiter, die mit Handy und Laptop ausgestattet sind, einen Freibrief geben, immer erreichbar zu sein. Weder ist diese Vorstellung realitätsnah, noch kommt sie den Interessen der Mitarbeiter entgegen. Vereinbaren Sie daher in beiderseitigem Interesse im Vorhinein Zeiten der Kommunikation. Klären Sie, wann wer erreichbar ist bzw. erreichbar zu sein hat.
- Mitarbeiter, die telearbeiten, sind nicht weniger burn-out-gefährdet. Oft wird Telearbeit als das Heilmittel für überlastete Mitarbeiter gesehen. Auch bei diesen selbst dominiert oft die Vorstellung, dass mit dem Arbeiten zu Hause oft alles besser wird. Dabei kann gerade diese Verschmelzung von Beruf und Privatleben rasch in die Überforderung führen. Nicht jeder Mitarbeiter ist gleich geeignet, von zu Hause zu arbeiten und bei nicht jedem lässt sich der Beruf wirklich trennen von den anderen Lebensbereichen. Herumtollende Kinder, Besucher, die vorbei kommen, zu wenig Platz in der Wohnung, um ungestört arbeiten zu können, machen oft das Leben schwer und die Arbeit zum Spießrutenlauf.
- Auch wenn die Kollegen manchmal nerven, Heimarbeit macht nicht unbedingt sozial glücklicher. Gerade Menschen in Großraumbüros träumen oft vom Arbeiten alleine zu Hause. Menschen sind aber soziale Wesen und immer alleine zu arbeiten, führt rasch zu Isolation. Außerdem sollte geklärt sein, wie der Mitarbeiter über die Geschehnisse im Unternehmen up-to-date gehalten wird.
- Wer zahlt eigentlich? In der österreichischen Rechtsprechung ist das Thema Telearbeit noch stark unterentwickelt. Sprich, es gibt kaum verpflichtende Bestimmungen darüber, wie ein solches Arbeitsmodell ausgestaltet sein muss. Besonders das Thema der Kosten ist ein Graubereich. Vor allem, wenn der Mitarbeiter die Telearbeit begehrt, ist die Frage der Kostenübernahme eine zu Klärende. Während Arbeitnehmervertreter von einer verpflichtenden vollen Kostenübernahme durch den Arbeitgeber sprechen, argumentieren Unternehmer oft damit, dass ohnehin jeder einen privaten Internetzugang und einen PC zu Hause habe.
Ungenütztes Potenzial
Um aber nicht nur die Negativa aufzuzeigen, sei hier erwähnt, dass Telearbeit trotzdem eine Arbeitsform der Zukunft sein wird. Und es gibt zahlreiche sinnvolle Einsatzmöglichkeiten, die sowohl dem Unternehmen als auch den Mitarbeitern Vorteile bringen. Viel des Potenzials, das in einem sinnvollen Einsatz von Telearbeit liegt, wird in Unternehmen noch nicht gehoben. Hier ein paar Anwendungsbeispiele:
- Telearbeit für einen leichteren Wiedereinstieg. Viele Unternehmer klagen über die sogenannte Elternteilzeitregelung. Zu wenige Stunden würden Mitarbeiter arbeiten, die von der Karenz zurück kehren. Vereinbarungen, einen Teil zu Hause zu arbeiten und dafür mehr Stunden zu machen, bieten eine Win-Win-Situation für beide Beteiligten. Darüber hinaus können Projektarbeiten, die während der Karenz von zu Hause erledigt werden, ein besseres Kontakthalten mit dem Unternehmen ermöglichen.
- Neue Raumkonzepte sparen Kosten. Telearbeit in großem Stil einzuführen, ohne dabei die räumliche Situation zu überdenken, führt unweigerlich zu Mehrkosten. Tatsächlich lassen sich aber in fast allen Unternehmen Optimierungen finden, denn ein gewisser Prozentsatz der Belegschaft ist immer unterwegs. Die Einführung von Telearbeit gekoppelt mit einem intelligenten, bedarfsorientierten Raumkonzept kann Kosten sparen. Zahlreiche Unternehmen haben das bereits vorgemacht.
- Telearbeit als Überbrückung von Fenstertagen und schulfreien Tagen. Vielen Schulen legen schulautonome Tage auf Fenstertage. Dazu gibt es zahlreiche schulfreie Tage, die berufstätige Eltern immer wieder vor große Betreuungsprobleme stellen. Nicht jeder kann sich an Fenstertagen ständig frei nehmen. Die Möglichkeit, an solchen Tagen von zu Hause arbeiten zu können, kann Mitarbeiter entlasten und den Leistungsengpass an diesen Tagen verringern.
- Telearbeit zur Erhöhung der Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit. In manchen Fällen kann Telearbeit zu einer höheren Flexibilität im Unternehmen führen. Vor allem dann, wenn Arbeit an Randzeiten nötig wird. Beispielsweise im Vertrieb, wenn Kunden Abend- oder Frühtermine wollen, kann eine Arbeit dazwischen von zu Hause den Mitarbeiter entlasten und für das Unternehmen unproduktive Fahrzeiten (etwa vom einen Kunden ins Büro und wieder zu einem anderen Kunden) einsparen.
Vertrauenskultur ist Voraussetzung
Unternehmen, die mit dem Gedanken spielen, Telearbeit einzuführen, laufen leicht Gefahr den Fokus vor allem auf die technischen Komponenten zu legen. Die wesentliche Voraussetzung ist aber eine Kultur des Vertrauens. Vertrauen darauf, dass die Mitarbeiter mit dem Instrument der Telearbeit ordentlich umgehen. Das betrifft zum einen die Arbeitszeit an sich als auch die Produktivität. Eine klare Ergebnisvereinbarung ist unbedingt notwendig und schafft Klarheit auf beiden Seiten. Was wird erwartet und in welcher Qualität ist es wann abzuliefern. Dabei sollten realitische Einschätzungen getroffen werden. Allzu leicht tendieren Führungskräfte dazu, Mitarbeiter in Telearbeit zuzuschütten mit Aufgaben, um in jedem Fall zu verhindern, dass diese unproduktiv sind. Dahinter steckt oft ein mangelndes Vertrauen und der Irrglaube die Produktivität mit der bloßen Anwesenheit des Mitarbeiters belegen zu können. Aber auch telearbeitende Mitarbeiter nehmen sich nur allzu leicht viel zu viel vor und vor allem mit nach Hause. Auch zu Hause ist die Arbeitszeit begrenzt, zumal ja meist auch noch das Familienleben parallel läuft. Organisationen, die die Frage nach der Vertrauenskultur nicht eindeutig mit ja beantworten können, sollten von derartigen Konzepten die Finger lassen. Mitarbeiter legen große Erwartungen in derartige Arbeitsmodelle. Und der Schaden, der entsteht, wenn diese enttäuscht werden, ist immens. Aber mit ein wenig unternehmerischem Mut lassen sich mit intelligentem Einsatz von dezentraler Arbeit ausgesprochen gute Ergebnisse erzielen.
Ich habe die Erfahrung gemacht, daß Telearbeit durchaus eine Erleichterung sein kann, wenn es um ein mehr an Flexibilität geht. Allerdings sollte immer die Möglichkeit der Arbeit in der Firma als Anker bestehen, da sonst die Nachteile eindeutig überwiegen. Arbeitsabläufe, in die mehrer Personen involviert sind, funktionieren nur noch sehr umständlich, wenn sich die entsprechenden Mitarbeiter nicht mehr regelmäßig sehen.
Ganz ehrlich? Ich glaube, Teleworker sind sogar mehr burnout-gefährdet! Denn die Grenze zwischen Arbeit und Freizeit zu ziehen, fällt unglaublich schwer (das weiß ich aus eigener jahrelanger Erfahrung). Hier noch schnell eine Mail schreiben, da noch schnell etwas recherchieren, immer verfügbar sein, damit die Mitarbeiter auch nicht meinen, man tut zuhause nichts…
Eines würde ich gerne noch ergänzen. Oft wird nämlich bei der Einrichtung von Telearbeitsplätzen komplett außer acht gelassen, dass der Arbeitsplatz auch ergonomisch gestaltet sein muss.
Die Zeitschrift für Arbeitwissenschaft hat die drohenden Gefahren plastisch dargestellt: „Neben den allgemeinen Atem- und Verdauungsbeschwerden sowie Herz- und Kreislaufproblemen (beispielsweise Durchblutungsstörungen in den Beinen) sind in diesem Zusammenhang besonders skeleto-muskuläre Gesundheitsstörungen in der Muskulatur (unter anderem Verspannungen im Schulter- und Nackenbereich), in den Gelenken (zum Beispiel im Handgelenk) und insbesondere in der Wirbelsäule (Beschwerden von der Bandscheibe ausgehend sowie Nervenschmerzen, vor allem im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule), aber auch Kopfschmerzen und Sehstörungen bei Bildschirmarbeiten zu benennen.“ vgl. http://www.hausarbeiten.de/faecher/vorschau/167160.html
Oft wird zuhause einfach am Küchentisch / Laptop gearbeitet, das kann auf Dauer nicht gesund sein. Für den Arbeitgeber gilt oft „aus den Augen, aus dem Sinn“.
Lieber Herbert Meltzmann,
vielen Dank für den Input. Ja, das Thema Arbeitsplatzeinrichtung bei Teleworkern ist tatsächlich ein selten beachtete Sache. Tatsächlich ist Teleworking kostenmäßig leider nur wenig argumentierbar, wenn man bedenkt, dass Mitarbeiter in der Firma und zu Hause einen Platz eingerichtet bekommen müssen. Daher wird das meist gar nicht bedacht.
Ich gehöre auch zu der Spezies, die zu Hause am Laptop auf der Couch oder wo auch immer arbeitet. (Ich habe an sich auch ein voll eingerichtetes Büro, aber die Couch ist bequemer 🙂 ) Für mich ist das eine Art von Freiheitsgewinn und das Thema „ergonomisch eingerichteter Arbeitsplatz“ hat da auch bei mir Nachrang. Ich denke aber, dass es sinnvoll ist, sich einmal damit zu beschäftigen.
Das mit dem Burn-out unterschreibe ich voll und ganz. Es braucht sehr viel Disziplin, festzulegen, wann man arbeitet und vor allem wann nicht. Letzteres ist aber ein Muss, wenn man sich nicht überfordern muss.
Danke fürs Lesen meines Artikels und alles Gute!
Peter Rieder