Das klassische Recruiting hat ausgedient. Zumindest ist vielerorts zu hören, man fände keine geeigneten Mitarbeiter mehr. Zu wenig gäbe es, zu groß die buhlende Konkurrenz. Die klassischen Recruitingansätze – meist passiver Natur – bringen also nicht mehr den gewünschten Erfolg. Mehr denn je steht die Beziehung zum potenziellen Bewerber im Vordergrund. Es geht nicht mehr um Talent Management, es geht um Talent RELATIONSHIP Management.
Vom Vertrieb lernen
CRM. Customer Relationship Management. Was im Vertrieb seit Jahrzehnten üblich ist, entdecken Personalisten zunehmend für sich. Talent Relationship Management bezieht sich – wie der Name schon sagt –vor allem auf die Beziehung zu den „Talenten“. Es ist also mehr als Talent Management im klassischen Sinn. Viel mehr geht es darum, rechtzeitig eine solide Beziehung aufzubauen, die für den potenziellen Kandidaten wie auch für das Unternehmen lohnend ist. Keinem (guten) Vertriebler müssen Sie das lange erklären.
Klassische Recruitingansätze bieten das nicht. Der Kontakt – die Beziehung – beschränkt sich auf die wenigen Kontaktsituationen vom ersten Mail bis zum Bewerbungsgespräch. Meist aber findet gar kein richtiger Kontakt statt. Kommuniziert wird schriftlich oder per Mail. In der Regel findet kein Dialog statt, sondern viel mehr eine Einweg-Kommunikation.
Wer aber Talente für sich gewinnen will, der muss Mehrwert bieten und vor allem rechtzeitig damit beginnen. Kurzfristiges Agieren, wie im klassischen Recruiting üblich, gehört damit der Vergangenheit an.
Social Recruiting ist das beste Beispiel
Wo sich Talent Relationship Management am deutlichsten zeigt, ist in sozialen Netzwerken. Erfolgreiche Karriereseiten im Social Web (davon gibt es nicht viele) interagieren mit Interessierten und potenziellen Bewerbern, liefern Informationen und Einblicke tief in das Unternehmen, beantworten laufend Fragen und seien sie auch noch so seltsam. Damit generieren sie Mehrwert und schaffen einen Pool an interessierten Menschen, worunter sich im Regelfall auch das eine oder andere Talent verbirgt.
Erfolgreich vorgemacht hat das die Allianz Versicherung, die die österreichweit zweitgrößte Facebook-Karriereseite betreibt. Lange vor vielen anderen hat man hier in einen guten Social Web Auftritt investiert. Ein Investment das sich lohnt, so Personalleiter Michael Bilina. „Wir bemerken in den letzten beiden Jahren mehr Interesse an den offenen Stellen in unserem Unternehmen – bei Jobmessen oder durch Initiativbewerbungen. Durch die Einbindung der Bewerber in unserer Community erleben wir im Bewerbungsgespräch Kandidaten, die sich schon mit unserem Unternehmen identifizieren. Die Qualität der Bewerber steigt – Und darum geht es ja letztlich“ so Bilina. Dafür wird aber auch laufend gearbeitet. Täglich werden Informationen rund um das Unternehmen ins Netz gestellt, Fragen beantwortet und Tipps gegeben. Kurz: die Beziehung am Leben erhalten.
Die eigenen Mitarbeiter nutzen
Auch das Potenzial der eigenen Mitarbeiter gehört zu einem gelungenen TRM dazu. So setzen immer mehr Unternehmen auf „Mitarbeiter gewinnen Mitarbeiter“-Konzepte. Das bietet mehrere Vorteile. Zum einen sind die eigenen Leute die besten Botschafter und in ihren Communities bekannt als Mitarbeiter des Unternehmens. Zum anderen wird so ein informelles Netzwerk eröffnet, das sonst nicht erreichbar wäre. Die Kosten dafür – etwa für eine Vermittlungsprämie – bewegen sich bei einem Bruchteil dessen, was klassische Ansätze verschlingen. Denken Sie nur an die Kosten eines Printinserates.
Untersuchungen zeigen zudem, dass vor allem Kontakt zu zukünftigen Chefs und Kollegen von Bewerbern als am wertvollsten empfunden werden. Ein Einbeziehen von Mitarbeitern unterschiedlicher Ebenen ist daher ein Muss für erfolgreiches TRM. Beschränkt sich das klassische Recruiting normalerweise auf die Aktivitäten eifriger Personalisten, so werden in einem TRM Modell alle Mitarbeiter mit einbezogen.
Alte Bekannte einstellen
Aktivitäten wie das Auftreten in Schulen, das Vergeben von Praktikumsplätzen, Erfahrungstage im Unternehmen, geförderte Projektarbeiten oder Stammtische gehören ebenso zu TRM dazu. Sie alle zielen darauf ab, rechtzeitig die geeigneten Kandidaten zu identifizieren und eine Beziehung aufzubauen, damit man, wenn es darauf ankommt, rasch „alte Bekannte“ ansprechen und einstellen kann.
Alle diese Aktivitäten haben eines gemeinsam: Sie entfalten ihre Wirkung erst mittelfristig. Frei nach dem Motto „Erst der Fleiß, dann der Preis“. Wie auch der Aufbau eines Kundenstocks und eines Netzwerkes zu potenziell Interessierten Zeit und Arbeit bedeutet, so bringt natürlich auch TRM ein mehr an Aufwand. Zunächst. Aber Unternehmen, die sich einem konsequenten und wertschätzenden Beziehungsmanagement verschreiben, die werden belohnt mit einem mehr an interessierten Kandidaten und letztlich auch mit einem mehr an geeigneten Bewerbern.
Die Personalabteilungen des Landes sind hier gefordert, sich rasch von alten Arbeitsmodellen und Vorgehensweisen zu verabschieden und technologisch wie kommunikativ nachzurüsten. Zahlreiche Unternehmen machen das bereits aktiv vor und haben dadurch bereits jetzt einen enormen Wettbewerbsvorteil im Kampf um die besten Köpfe. Und? Wann steigen Sie um?
Buchtipp:
Seit Ende März 2012 auf dem Markt:
Talent Relationship Management von Armin Trost.
Verlag Springer. ISBN 3-642-17077-3
Toller Artikel! Ich bin gerade dabei, meine Bachelorarbeit zum Thema Talent Relationship Management zu schreiben und habe hier wertvollen Input gekriegt. Eins möchte ich aber noch anmerken: Oben haben Sie gesagt, dass sich Talent Relationship Management am erfolgreichsten in sozialen Netzwerken zeigt. Ich habe in meiner Bachelorarbeit eine Studie dieses Anbieters -> http://bit.ly/zaIg9a betrachtet, die diesen Satz auf geschlossene Netzwerke einschränkt. In deren Studie (http://bit.ly/GAyJXu) wurde gezeigt, dass vor allem in geschlossenen Netzwerken viel effektiveres Talent Relationship Management durchgeführt werden kann, weil die Bewerber in offenen sozialen Netzwerken kaum Informationen über sich preisgeben.
Hallo! Vielen Dank für den Post und den interessanten Input. Das ist natürlich richtig, dass offene Soziale Netzwerke ihre Grenzen haben, was das Preisgeben von Information anbelangt. Wenn es gelingt daraus die jenigen Community Mitglieder zu identifizieren, die wirklich Interesse haben und mit diesen näher in Kontakt zu kommen, dann kann man echtes TRM betreiben. Was mir wichtig ist, ist der Aspekt, dass soziale Netzwerke einmal einen sehr öffentlichen und breiten Zugang zu Communities bieten und durch die informelle Kommunikation vielel Türen aufgehen, die einem auf traditionellen Wegen verschlossen bleiben. Aber gerade das Feld Social Recruiting ist ein sehr schwer zu bedienendes, wenn man das gut machen will. Da halten sich die guten Beispiele leider in Grenzen. Dazu kommt auch, dass Bewerber eher über face-to-face angesprochen werden wollen, als über soziale Netzwerke.
Viel Erfolg in jedem Fall bei der Bachelorarbeit!
Liebe Grüße,
Peter Rieder
Super Artikel! Genau darum geht es, um Kontakte, deren Beziehungen und um das miteinander, relevante Informationen zu teilen! Die Generation von heute, befindet sich nur einen Klick entfernt im Social Web, daher stehen die Chancen für Unternehmen sehr hoch, hier ihre Talente zu rekrutieren! Aktuell dazu gibt es eine Studie Talent Relationship Management in der Unternehmenspraxis – socialmediaballoon.de des Electronic Business Instituts der Hochschule Heilbronn! Die Studie zeigt auf, dass wichtige Potentiale des Social Web für die Gewinnung und Bindung solcher Talente weitgehend ungenutzt bleiben.