Aktuelle Zahlen der Statistik Austria von heute, 21. September 2011, machen erneut eines klar: Wir altern. Bis 2050 sieht die Statistik Austria die Bevölkerung Österreichs auf 9,4 Millionen Bewohner anwachsen (derzeit 8,4 Millionen). Das alleine wäre eine erfreuliche Bilanz für eine Wirtschaft, die wachsen möchte. Wenn da nicht die Überalterung wäre. Und die wirft vor allem für die Wirtschaft zahlreiche Fragen auf.
Wir müssen länger arbeiten – aber wie?
Sind derzeit rund 23% der Bevölkerung über 60 Jahre alt, so werden es 2050 über 34% sein, das heißt jeder Dritte ist über 60 Jahre alt. Stellen Sie sich ein Unternehmen vor, in dem ein Drittel der Belegschaft über 60 Jahre alt ist. Eine Vorstellung, die für viele undenkbar ist. Bedenkt man aber, dass diese Entwicklung das Thema des Pensionsalters massiv in den Vordergrund rückt, dann wird klar, dass etwas passieren muss.
Denn zum einen stellt die hohe Anzahl an frühen Pensionierungen mit hoher Wahrscheinlichkeit in Bälde ein volkswirtschaftliches Problem dar, zum anderen aber haben nur die wenigsten Unternehmen Modelle und eine Idee davon, wie es gelingen kann, ältere Arbeitnehmer länger im Job zu halten. Und das am besten gesund.
Aus Sicht des Unternehmens gibt es also einige Punkte durchzudenken:
- Welche Perspektiven und sinnvollen Betätigungen können wir älteren Arbeitnehmern bieten?
- Wie können wir auch ältere Arbeitnehmer noch weiter entwickeln, damit sie mit den Anforderungen der Arbeitswelt fertig werden?
- Wie können wir bei einer technologischen Veränderung, die derzeit in Lichtgeschwindigkeit passiert, sicher stellen, dass wir den Anforderungen mit unsere Mannschaft gerecht werden?
- Wie schaffen wir es überhaupt ausreichend Personal zur Verfügung zu haben?
Aus meiner Sicht sehr wichtige Fragen und ein absoluter Anlass, sich mit dem Thema Generationen Management zu beschäftigen. Besonders folgende Punkte sollten in diesem Zusammenhang aber durchdacht werden:
Ausstiegsszenarien schaffen – nicht aus dem Erwerbsleben, sondern aus dem Job
Talent Programme, Nachwuchsführungskräfte-Programme, Karrieremodelle – also kurz Möglichkeiten, in eine Positoin zu kommen, gibt es zahlreiche. Fast jedes Unternehmen ab einer gewissen Größe hat derartige Modelle und Konzepte. Wege aus einer Tätigkeit heraus gibt es wenige bis keine. Und damit meine ich nicht Rauswurf oder Pension, sondern einen institutionalisierten, durchdachten Weg, eine Position zu beenden und in einer anderen Position sinnvoll weiterzuarbeiten.
Wo ist das relevant?
Hierbei sei nur an die vielen tausenden Führungskräfte und Mitarbeiter gedacht, bei denen die 60-Stunden-Woche Programm ist. Stellen Sie sich vor, Sie müssten auch mit 67 Jahren noch 60 Stunden pro Woche arbeiten. Schaffbar?
Mitarbeiter gesund zu erhalten heißt, sie in einem kontrollierten und passenden Maß zu fordern. Jemandem in einer Position 30 Jahre lang eine enorme Arbeitsbelastung zuzumuten, kann bei einer Vielzahl der Betroffenen zu schweren gesundheitlichen Folgen führen. Umfragen zeigen, dass zahlreiche Arbeitnehmer im höheren Alter, aber auch Führungskräfte, gerne weniger Stunden arbeiten würden, nicht wegen der Arbeit an sich, sondern wegen der eigenen Balance und Leistungsgrenzen.
Was braucht es?
Zunächst eine Kultur in der ein „Rücktritt“ kein Rückschritt ist. Soll heißen, wir brauchen einen wertschätzenden Umgang mit Mitarbeitern, die bewusst einen Gang zurück schalten wollen. Und das in einer strukturierten Art und Weise. Ohne Verlierer.
Seitens der Mitarbeiter braucht es dazu aber auch die Bereitschaft, Abstriche zu machen. Klarerweise sind Führungspositionen anders dotiert als nicht-Führungspositionen. Daher muss es auch legitim sein, dass für anderen Positionen in einem vernüftigen Ausmaß andere Gehälter gezahlt werden. Mitarbeiter sind die Bezahlung nach Seniorität gewöhnt, dieses Modell scheint aber angesichts der Demografie ebenfalls überdenkenswert.
Bezahlung abseits von Seniorität
Kein Thema, das sich von einzelnen Unternehmen lösen lässt, sondern mehr ein gesamtwirtschaftliches, aber angesichts der Demografie muss die Bezahlung nach Seniorität hinterfragt werden. Natürlich ist es legitim, dass erfahrene Mitarbeiter mehr verdienen als unerfahrene, jedoch die Kurve muss sich verflachen. Wenn die besserverdienenden mehr werden und mit zunehmendem Alter auch immer besser verdienen, dann führt das unweigerlich zu einer Kostenexplosion und damit unter Umständen zu weniger Arbeitsplätzen.
Die Bezahlung muss stärker nach Funktionen erfolgen, weniger nach Seniorität. Das schafft auch mehr Transparenz und damit mehr Freiheit, Positionen zu wechseln. Übernimmt ein Mitarbeiter eine neue Funktion, dann ist damit eine andere Bezahlung verbunden, eine höhere oder aber auch eine niedrigere.
Mehr Mobilität auch in höherem Alter
Damit einhergehend muss auch die Jobmobilität unter den älteren Arbeitnehmern steigen. Sieht man sich Statistiken an, dann bemerkt man rasch, dass die Wechselquote bei den über 45-jährigen rasant abnimmt. Zum einen natürlich aus Angst, keine entsprechen Position mehr zu bekommen, zum anderen weil wir eben nach Seniorität zahlen und ein Unternehmen daher lieber zwei Maturanten einstellt, als einen 50-jährigen.
Ältere Arbeitnehmer tun sich am Arbeitsmarkt nach wie vor am schwersten (neben den ganz jungen, wenig ausgebildeten). Wenn wir mehr ältere Arbeitnehmer haben, dann muss aber auch die Mobilität steigen. Sonst hieße das, dass Wechsel nur bei den Jungen stattfinden und sich Unternehmen bei anderen Alterschichten nicht mehr entwickeln und erneuern. Derzeitige Schutzbestimmungen mit guter Absicht verkehren sich leider oft ins Gegenteil.
Altersgerechte Entwicklungspläne und lebenslanges Lernen
Zuletzt aber braucht es auch Entwicklungspläne, die nicht im Alter von 45 enden. Lebenslanges Lernen hat sich als Schlagwort bereits etabliert, ist aber nur in wenigen Organisationen auch Realität. Zu wenig wird derzeit in ältere Mitarbeiter investiert, zu niedrig ist auch oft deren Bereitschaft, sich noch zu verändern. Wenn es aber immer mehr ältere Arbeitnehmer gibt und diese auch länger im Job bleiben, dann ist klar, dass diese auch mit den Anforderungen mitwachsen müssen. Die in Österreich beliebte Praxis des „Aussitzens bis zur Pension“ wird angesichts dieser Zahlen zum Damoklesschwert.
Ausnahmesituation Pflege
Während viele Unternehmen noch mit der Elternteilzeitregelung hadern, lauert teils noch wenig beachtet, das nächste große Problemfeld auf die Unternehmer: Das der Pflege naher Angehöriger. Nur wenige Organisationen haben sich bereits Gedanken gemacht zum Thema Pflege. Was machen, wenn Mitarbeiter Pflegedienste in der Familie übernehmen müssen. Dabei unterscheidet sich der Eintritt eines Problems in der Vereinbarkeit zwischen Beruf und Pflege massiv von einem Beruf und Familie Problem. Die Notwendigkeit der häuslichen Pflege tritt unmittelbar ein, meist unangekündigt und stellt Arbeitnehmer vor unlösbare Probleme.
Derzeit beziehen etwa 400.000 Menschen in Österreich Pflegegeld. Ebenso viele sind derzeit über 80 Jahre alt. Im Jahr 2050 werden es laut Statistik Austria fast 1,1 Million sein! Zeit, sich zu diesem Thema Gedanken zu machen.
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Für einige der oben genannten Problemstellungen wird es dem einzelnen Unternehmen nicht gelingen, eine Lösung zu finden. Hier sind die Gewerkschaften und Arbeitgebervertreter und nicht zuletzt die Politiker am Zug. Viele andere der aufgezeigten Themen lassen sich aber durch ein durchdachtes Generationen Management im Unternehmen vordenken und geben dem Unternehmen so die Sicherheit, vorbereitet zu sein.
Auch das Audit berufundfamilie als prozessorientiertes Instrument zur nachhaltigen Verbesserung einer familienbewussten Unternehmenspolitik kann wichtige Dienste leisten und so die Leistungsfähigkeit der Organisation auch noch dann sichern, wenn wir gealtert sind.
Peter Rieder und Arbeitswelten Consulting unterstützen Unternehmen bei der Entwicklung eines Generationen Managements und der Etablierung nachhaltiger Prozesse für eine bessere Vereinbarkeit. Für beide Seiten.