Diversity Management ist mittlerweile auf der Agenda der meisten Unternehmen gelandet. Die Zugänge sind dabei – ähnlich wie auch bei Corporate Social Responsibility recht unterschiedlich- von eigenen Beauftragten, über einen Teilbereich des HR oder einer eigenen Stabstelle. Eines zeigt sich jedoch deutlich: Betriebe, die Diversity Management und Recruiting nicht verbinden, können ihr vielfältiges Potenzial nur schwer erschließen. Und haben sogar noch Risiken.
Recruiting als Stellhebel für Diversity Management
Das Recruiting einer Organisation, ehal ob vom HR Bereich oder der Geschäftsführung selbst durchgeführt, ist ein wesentlicher Stellhebel im Unternehmen und beeinflusst so stark wie kein anderer Bereich die (mögliche) Vielfalt im Betrieb.
Recruiting beeinflusst die Vielfalt ungemein stark
Das Recruiting als „Door-Opener“ bestimmt, wer ins Unternehmen kommt und wer nicht. Dementsprechend groß ist die Verantwortung dieses Bereiches und entsprechend sensiblel sollte mit dieser Verantwortung umgegangen werden. Recruiter_innen sind den Anforderungen der perfsonalsuchenden Führungskräfte ebenso ausgesetzt, wie ihren eigenen Voreinstellungen. Beides schränkt das Suchfeld schnell strark ein. In dieser wichtigen Dreieckfunktion zwischen Suchenden und Bewerber_innen haben Mitarbeiter_innen im Recruiting entsprechend große Verantwortung.
Wer personelle Vielfalt will, muss vielfältig suchen
Selbst wenn vielfältige Mitarbeiter_innen im Unternehmen gewollt sind, bedeutet das noch nicht, dass diese leicht zu finden sind. „Diversity Recruiting“ heißt daher vor allem auch seine Suchgebiete und Suchstrategien zu erweitern. Community Medien, informelle Netzwerke und Veranstaltungen und Jobmessen abseits der gewohnten Pfade erreichen ein anderes Publikum. Daher muss sich das Recruiting mit dem Verhalten seiner Zielgruppen auseinandersetzen und wissen, wo diese verkehren und wie diese Arbeit suchen. Und nicht zuletzt muss sich das Unternehmen erst ein Image aufbauen, das es als vielfältiges Unternehmen ohne Vorbehalte auszeichnet.
Große Gefahr für Diskriminierung
Die Vermeidung von Diskriminierung ist ein wesentlicher Teilaspekt von Diversity Management, auch wenn es sich nicht auf diesen beschränken sollte. Besonders Recruiter_innen sollten sensibilisiert werden und sein, wie Diskriminierung zustande kommt (bewusst und unbewusst!) und welchen unbewussten Denkmustern (Bias) sie selbst und ihre Führungskräfte ausgesetzt sind.
Besonders hoch ist die Gefahr der (ungewollten) Diskriminierung dort, wo dezentrales Recruiting praktiziert wird bzw. wo Recruiting ein kleiner Teil des eigentlichen Jobs ist, etwa in Filialen, die selbst Personal auswählen. Sollte ein Fall von bewusster oder unbewusster Diskriminierung im dezentralen Recruiting (zB wegen dem Tragen eines Kopftuches, o.ä.) die Runde machen, leidet das Image des gesamten Unternehmens.
Auch die Formulierung von Ausschreibungen und die darin zur Anwendung kommenden Kriterien haben einen wichtigen Einfluss. Beispielsweise spielt in Österreich traditionell die formale Ausbildung, also Schul- und Studienabschlüsse, eine große Rolle. Das ist in anderen Ländern häufig anders. Vielfach zählen dort angelernte Erfahrungen wesentlich mehr. Allein durch eine „falsche“ Ausschreibung, kann also bereits ein großer Pool an vielfältigen Mitarbeitern ausgeschlossen werden.
Natürlich sollten sich Betriebe darüber im Klaren sein, dass vielfältigere Mitarbeitersuche auch mehr Zeit in Anspruch nehmen kann. Es ist immer leichter, Menschen, die gewisse Kriterien erfüllen bzw. nicht erfüllen, von vorn herein auszuschließen. Dann bekommt man allerdings nur, was man immer schon bekommen hat.
Recruiting und Diversity Management vereinen
Aus oben genannten Gründen für eine Einbindung des Diversity Managements ins Recruiting ergeben sich zahlreiche Ansätze, die für den Erfolg wichtig sind:
1.) Sensibilisierung und Training der Personen im Recruiting
Ein wesentlicher Erfolgsbaustein ist Training und Sensibilisierung der Mitarbeiter_innen im Recruiting, aber auch der Führungskräfte im Unternehmen. In sogenannten „Anti-Bias-Trainings“ werden die Teilnehmer_innen mit ihren eigenen Voreinstellungen und unbewussten Bildern konfrontiert und lernen, diese zu reflektieren. Gerade in der direkten Begegnung mit vielfältigen Bewerber_innen ist es essentiell, die eigenen Prägungen und Haltungen zu hinterfragen und durch professionelles Herangehen an die Auswahl ersetzen zu können.
2.) Neudefintion der Suchkriterien
Sind vielfältigere Mitarbeiter_innen das Ziel, dann sind die angewendeten Suchkriterien einer kritischen Betrachtung zu unterziehen. Wer wird mit den Kriterien tatsächlich angesprochen? Wer wird ausgeschlossen oder kann nicht erreicht werden? Sind gewisse formale Voraussetzungen (Abschlüsse, perfekte Deutschkenntnisse, …) tatsächlich so wichtig für die gute Ausführung des Jobs? Wer könnte sich nicht angesprochen fühlen? Die Suchkriterien sagen am meisten über den/die Suchende_n aus. Bewusste Reflexionsschleifen, etwa mittels eines Vier-Augen-Prinzips, können helfen, versteckte Muster aufzudecken.
3.) Neue Suchgebiete
In welchen Medien sind wir bislang vertreten? Wen erreichen wir dort? Und welche Medien und Möglichkeiten gibt es, die andere Zielgruppen ansprechen? Wie reagieren meine Zielgruppen auf meine Ausschreibungen? All das sind Fragen, die zu stellen sind. Diverses Personalmarketing ist vor allem auch Lernfeld für Recruiter_innen. Wenn das Feld der Recruiter_innen selbst ein diverseres ist, gelingt dies unter Umständen leichter.
4.) Den Auswahlprozess kritisch durchleuchten
Auch der Auswahlprozess an sich kann Vielfalt ermöglichen oder verhindern. Wer wählt aus? Welche Kriterien kommen dabei zur Anwendung? Welche Fragen werden gestellt? Vor allem einheitliche Fragen und Konzentration ausschließlich auf Faktoren, die für die erfolgreiche Ausführung des zukünftigen Jobs relevant sind, aber auch sensibler Umgang mit Faktoren außerhalb der „gewöhnlichen Norm“ spielen eine große Rolle.
Gibt es ein Vier-Augen-Prinzip? Gibt es eine unabhängige Stelle (zB eine_n Diversity Verantwortliche_n, der/die ein Vetorecht hat, wie das zB auf Hochschulen oft der Fall ist)? Werden die Bewerber_innenzahlen und aufgenommenen Personen einem Controlling unterworfen, das möglicherweise versteckte Diskriminierung aufdecken kann? (zB werden bei 21% Bewerber_innen mit Migrationshintergrund immer nur 2% aufgenommen – warum ist das so?)
5.) Klare Zielgruppendefinition und ganzheitliche Strategie
Natürlich kann Recruiting nicht ohne Plan ablaufen. Wer vielfältig suchen möchte, muss sich damit auseinandersetzen, wer gesucht wird und wie diese Personen danach auch im Unternehmen gehalten werden können. Es nützt wenig, wenn es nicht gelingt, den bunten Mitarbeiter_innen letztlich auch ein passendes Arbeitsumfeld zu bieten.
Dementsprechend muss natürlich das gesamte Unternehmen lieber früher als später miteinbezogen werden. Denn wenn Diversity Management nach dem Recruiting zu Ende ist, gehen wertvolle Mitarbeiter_innenressourcen wiederum verloren. Wenn Unternehmensleitung, Führungskräfte und Mitarbeiter_innen im Recruiting an einer gemeinsamen Diversity Strategie und deren Umsetzung arbeiten, dann hat echtes Diversity Management gute Chancen erfolgreich zu sein!